Chefarzt: «Der Da Vinci ist sehr teuer»

Das Swiss Medical Board stellte dem Da Vinci ein schlechtes Zeugnis aus. Das tut auch der Urologe Ladislav Prikler von der Uroviva-Klinik in Bülach. Zudem erklärt der Chefarzt im Interview, wie er den PSA-Wert beurteilt.

, 24. März 2019 um 20:16
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Herr Prikler, was halten Sie vom Da Vinci?

Das Operationssystem vom Typ Da Vinci ist ein interessantes Instrument. Doch aufgrund der heute bekannten Daten haben roboterassistierte Operationen gegenüber der konventionellen, offenen, radikalen Prostataentfernung wenige Vorteile. Vor allem ist der Da Vinci sehr teuer, in der Anschaffung wie auch im Unterhalt.

In einem Mitte März vom Swiss Medical Board publizierten Bericht sind roboterassistierte Operationen nur selten sinnvoll. Die konventionelle Chirurgie biete ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis. Überrascht?

Überrascht bin ich nicht. In der Medizin sucht man immer nach einem Fortschritt. Man lanciert etwas, man versucht etwas, und dann muss man aber auch die Grösse haben und eingestehen, dass der Erfolg, den man sich erhofft hat, nicht eingetreten ist. Besonders aus finanzieller Sicht muss man anerkennen, dass der konventionelle Eingriff kostengünstiger und der Erfolg genau so gut ist.

Warum operieren Sie in der Uroviva trotzdem mit dem Da Vinci?

Wir hatten ihn seinerzeit angeschafft, weil wir in der obersten Liga mitspielen wollen. Man ist in einem Zugzwang. Es gibt Leute, die wollen roboterassistiert operiert werden, weil das modern und fortschrittlich ist. Hat man keinen Da Vinci, ist man nicht auf der Höhe der Zeit. Es ist nicht zuletzt auch ein Marketinginstrument.
Uroviva ist ein Netzwert von 21 Urologen mit einer eigenen Klinik in Bülach und neun weiteren Standorten im Kanton Zürich sowie in Pfäffikon im Kanton Schwyz.

Ein sehr teures, nota bene.

Zur Zeit der Anschaffung hatten wir noch nicht die Erkenntnisse von heute. Aber roboterassistierte Operationen werden die Zukunft sein. Die heute in Ausbildung befindlichen Ärzte werden vor allem am Roboter ausgebildet.

So drängt sich die Frage auf, ob angehende Operateure nicht falsch ausgebildet werden und die konventionelle Methode üben sollten, wenn diese doch ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist.

Das kann man so sehen. Diese Frage muss ich offen lassen. Es hat auch damit zu tun, dass die heutige Ausbildung viel spezialisierter ist.

Kommen wir zum umstrittenen PSA-Wert. Was soll man davon halten?

Zuerst muss ich etwas richtigstellen, was häufig falsch verstanden wird: der PSA ist keine Tumormarker; es ist ein Organmarker. Ein erhöhter PSA-Wert heisst nicht, dass ein Tumor vorhanden ist, sondern dass in der Prostata eine gewisse Aktivität herrscht. Das kann verschiedene Ursachen haben.

Welche?

Ein erhöhter PSA-Wert kann auf eine Entzündung, auf eine Reizung oder schlicht auf die Grösse der Prostata zurückzuführen sein. Wenn jemand eine grosse Prostata hat, so kann der PSA-Wert allein deshalb überdurchschnittlich hoch sein.

Korrigieren Sie mich: Viele Männer sind verunsichert, wenn sie einen hohen PSA-Wert aufweisen und machen sich unnötige Sorgen.

Auch wenn der PSA-Wert bezüglich Ursache ungenau ist, so zeigt er doch auf, dass man die Prostata beobachten oder untersuchen sollte. Seit Kenntnis dieser Messmethode kann Prostatakrebs zehn Jahre früher diagnostiziert werden. Früher gab es keine Voruntersuchungen. Wenn jemand über Schmerzen klagte, war der Krebs schon im fortgeschrittenen Stadium. Deshalb hat der PSA in der Vorsorgediagnostik einen hohen Stellenwert.

Ein Patient kommt zu Ihnen mit einem PSA-Wert von 7, was überdurchschnittlich hoch ist. Was tun Sie?

Das kommt immer auf den konkreten Fall an. Wenn zum Beispiel jemand eine familiäre Vorbelastung hat, so wird der erhöhte PSA-Wert schon mal anders beurteilt. Da, wie gesagt, ein hoher PSA-Wert verschiedene Ursachen haben kann, wird man zuerst den Verlauf des 
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    Ladislav Prikler

    wirkt seit 2004 als Urologe beim Zürcher Netzwerk Uroviva; seit 2011 ist er Chefarzt der Klinik Uroviva in Bülach. Der 51-Jährige hat sich auf die Behandlung des Prostatakarzinoms spezialisiert. Das Staatsexamen Medizin machte Ladislav Prikler 1992 an der Universität Zürich. Später wirkte er unter anderem auch als Oberarzt im Kantonsspital St. Gallen. Der Vater von zwei Kindern ist zudem Oberst a.D. der Schweizer Armee.

PSA-Werts beobachten: nimmt er ab, nimmt er zu, bleibt er stabil. Man macht allenfalls eine antibiotische Kur, um zu schauen, ob sich der PSA-Wert verändert. Unter Umständen führen wir ein MRI durch und machen eine Biopsie.

Es gibt Leute, die sagen, mit Gewebentnahmen würde das Wachstum des Tumors angeregt.

Man weiss von anderen Tumoren, dass das der Fall sein kann. Bei Blasenkrebs zum Beispiel sollte man nicht biopsieren. Bei Prostatakrebs hat man keine Anhaltspunkte, dass Biopsien das Wachstum des Tumors anregen. Es gibt kein anderes verlässliches Diagnostikum, um den Prostatakrebs zu diagnostizieren, als mit einer Histologie, also einer Gewebeuntersuchung.

Ein Berner Arzt hat beim Sezieren von über 70-jährigen Männern festgestellt, dass jeder Vierte Prostatakrebs hatte, aber nicht daran gestorben ist.

Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern. Aber nur die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache - nach Lungenkrebs. Ok, da ist eine Diskrepanz: Nicht jeder, der Prostatakrebs hat, stirbt daran. Aber es ist gleichwohl die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Pro Jahr sterben immerhin 1200 Männer an Prostatakrebs. Aber es ist natürlich ein Unterschied, ob Prostatakrebs bei einem 60-Jährigen oder einem 80-Jährigen diagnostiziert wird. Der Prostatakrebs ist meistens ein langsam wachsender Krebs.

Wie gehen Sie damit um?

Man unterscheidet zwischen signifikanten und insignifikanten Tumoren, also zwischen gefährlichen und ungefährlichen. Wichtig ist, dass man den signifikanten Prostatakrebs diagnostizieren kann. Soweit ist man noch nicht. Man weiss nicht, wie schnell der Krebs wächst. Man weiss nicht, wie alt man wird. So gesehen wird zu viel diagnostiziert, zu viel behandelt. Man weiss aber, dass sehr viele von der Behandlung profitierten. Es wird die nächste Herausforderung sein, diejenigen Patienten herauszufiltern, die von einer Krebsbehandlung profitieren.

Ist einmal der Krebs diagnostiziert, kommt man zur schwierigen Frage: was tun?

Es gibt standardisiert vier weltweit anerkannte und etablierte Möglichkeiten, wie mit dem Prostatakrebs umzugehen ist. Bei der aktiven Überwachung beobachtet man den PSA-Verlauf, macht ein MRI und repetitive Biopsien, um zu überprüfen, wie sich die Aggressivität des Tumors verändert. Zweitens die Operation, sei es klassisch offen oder mit dem Da Vinci. Die Bestrahlung von aussen und viertens die Bestrahlung von innen, die so genannte Brachytherapie. Daneben gibt es noch nicht etablierte experimentelle Verfahren. Die Zukunft wird zeigen, wie gut sie sind.

Warum wird immer noch von aussen bestrahlt? Mit der Brachytherapie, auf die Sie sich schon früh spezialisiert haben, werden die umliegende Organe wenig mitbestrahlt.

Die äussere Bestrahlung ist kein operativer Eingriff, es besteht kein Anästhesierisiko, und die Prostata schwellt weniger stark an als bei der inneren Bestrahlung. Allerdings wird über acht Wochen bestrahlt. Die Brachytherapie ist dagegen ein einmaliges Verfahren mit einer höheren lokalen Dosis und ist im Vergleich zur Operation wenig invasiv. Patienten gehen nach zwei Tagen nach Hause, meistens völlig beschwerdefrei. Punkto Inkontinenz und Potenz scheint die Brachytherapie Vorteile zu haben. Der grosse Nachteil ist die Schwellung der Prostata. Wenn die Prostata schon sehr gross ist und der Patient Mühe hat mit Wasserlösen, so ist die Brachytherapie nicht empfehlenswert. Ausserdem wird bei agressiven Tumoren keine Brachytherapie empfohlen.
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