Deckel drauf: Der Bundesrat liebäugelt mit Globalbudgets

Mit einem neuen Paket will die Regierung die stetig steigenden Gesundheitskosten endlich in den Griff kriegen. Ärzte wie Kassen wie Pharma protestieren.

, 25. Oktober 2017 um 13:51
image
  • politik
  • gesundheitskosten
  • tarmed
  • praxis
Der Bundesrat will weitere Massnahmen ergreifen, um die Gesundheitskosten halbwegs zu dämpfen. Er segnete heute einen Bericht von 14 Experten aus vier Ländern ab, der insgesamt 38 Massnahmen enthält. Alain Berset und BAG-Direktor Pascal Strupler präsentierten heute vor den Medien die groben Linien, die daraus gezogen werden sollen.
Ein entscheidender und übergeordneter Punkt des Langfrist-Planes ist, dass in den verschiedenen Leistungsbereichen verbindliche Zielvorgaben für das Kostenwachstum festgelegt werden – mitsamt Sanktionsmassnahmen, falls diese Ziele verfehlt werden. Oder kürzer: Der Bundesrat will Globalbudgets einführen. 


Ärzte oder Spitäler würden also dereinst Kosten- oder Mengenvorgaben erhalten. Überschreitet ein Arzt die Ziele, erhält er für die folgenden Behandlungen immer weniger – ein «degressives Entschädigungsmodell», wie Pascal Strupler es formulierte. 
Ein weiterer Hauptpunkt des zu prüfenden Pakets ist ein «Experimentierartikel», mit dem innovative Pilotprojekte getestet werden. Oder konkreter: Ärzte und Spitäler soll es leichter erlaubt sein, innovative kostensparende Behandlungen auszuprobieren.
Grundsätzlich steht der Bundesrat weiterhin hinter der Tarifpartnerschaft. Allerdings sollte der Bund bei Blockaden eher eingreifen können. 
Die CVP sieht sich bestätigt:
In einer ersten Reaktion wandten sich mehrere starke Organisationen der Branche gegen die Idee der Globalbudgets. «FMH, H+, Interpharma, PharmaSuisse, SPO und Santésuisse lehnen undifferenzierte Eingriffe mit absehbar negativen Folgen für die Patientinnen und Patienten ab», heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung. Stattdessen solle das Sparpotenzial realisiert werden, welches in der Einführung der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen steckt.

Abkehr von der Solidarität?

In Deutschland und den Niederlanden hätten Globalbudgets zu keiner Dämpfung des Kostenwachstums geführt, warnen die Dachverbände. Andererseits böten sie gravierende Nebenwirkungen – insbesondere mehr Wartezeiten. Grundsätzlich sei es bei einem gedeckelten Budget nicht mehr möglich, alle notwendigen Leistungen für alle Patienten zu erbringen. Speziell ältere, chronisch und polymorbide kranke Patienten wären die Opfer: «Es wäre die Abkehr vom solidarisch gelebten Gesundheitssystem in der Schweiz.»
Letztlich habe es man mit einer verdeckten Rationierung zu tun, die insgesamt zu höheren Kosten bei schlechterer Qualität führe. Denn: «Haben die Leistungserbringer pro Jahr ein festgelegtes Budget, so steht nicht die Qualität der erbrachten Leistung im Vordergrund.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Gastbeitrag von Felix Huber und Guido Klaus

Koordinierte Versorgung braucht Anreize – keine neue Regulierung

Hausarztmodelle sind oft ein Rettungsanker für chronisch Kranke. Wenn wir nicht aufpassen, würgt das Spar-Massnahmenpaket des Bundes hier viele Chancen ab.

image

Anbieter des E-Patientendossiers erhalten Geld

Bis zu 30 Franken pro EPD-Eröffnung erhalten die Anbieter ab Oktober. So will der Bundesrat das Patientendossier vorläufig retten.

image

Werden Mammografien wegen Tardoc unrentabel?

Laut einer SP-Nationalrätin droht nun ein Rückgang bei den Mammografie-Screenings. Der Bundesrat widerspricht.

image

Fehlende Kenntnisse in der Komplementärmedizin

SP-Nationalrätin verlangt bessere Kompetenzen im Bereich Komplementärmedizin.

image

So will der Bundesrat die Bevölkerung gesund erhalten

Psychische Gesundheit, Tabakkonsum und Übergewicht: In diesen drei Punkten plant der Bundesrat mehr Vorbeugemassnahmen.

image

Für die Zweitmeinung zu Dr. KI? Kein Problem.

Die meisten Menschen können sich vorstellen, medizinischen Rat bei einem Chatbot zu holen. Und eine klare Mehrheit findet, dass die Ärzte KI-Unterstützung haben sollten. Dies besagt eine Erhebung in Deutschland.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.