Dringend oder elektiv? Chirurgenverband warnt Ärzte

Derzeit müssen Schweizer Spitäler, Kliniken und Arztpraxen auf nicht dringende Eingriffe und Therapien verzichten. Der Chirurgenverband weist dabei auf die strafrechtlichen Folgen hin.

, 19. März 2020 um 11:02
image
Der Bundesrat hat die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemie-Gesetz angeordnet. Die Bestimmungen gelten bis vorerst am 19. April 2020. Laut Verordnung müssen Spitäler, Kliniken und Arztpraxen «auf nicht dringend angezeigte medizinische Eingriffe und Therapien verzichten.» Doch die Verordnung wird vor dem Hintergrund des medizinischen Beurteilungsspielraums unterschiedlich umgesetzt, was zu Unsicherheit führt.
Nun schaltet sich auch der Chirurgenverband Fmch mit einer Stellungnahme ein, die Medinside vorliegt. «Die Verordnung hält unmissverständlich fest, dass ALLE Wahl-Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden dürfen, solange die Verordnung in Kraft ist, das heisst bis zum 19. April 2020», steht dort zu lesen. 

Verband nimmt die Ärzte in die Pflicht

Der Dachverband warnt seine 9'000 Mitglieder eindringlich vor den strafrechtlichen Folgen einer Übertretung der Verordnung. Und auch vor den zivilrechtlichen Folgen: «Wird eine Operation oder eine Intervention entgegen den Vorgaben der Verordnung durchgeführt, ist die ganze Behandlung widerrechtlich erfolgt.» 
Damit hafte, so die Fmch im Rundschreiben weiter, die Ärztin oder der Arzt auch für alle Folgen des Eingriffs. Auch für Komplikationen, die ohne Sorgfaltspflichtverletzung entstanden seien. Der Chirurgenverband bittet die Fachgesellschaften und Berufsverbände deshalb, die von Präsident Josef E. Brandenberg unterzeichnete Mitteilung umgehend an die 20 Fachgesellschaften und Berufsverbände weiter zu leiten.  

Muss ein Notfall-Eingriff sein

Die Fmch ruft zudem auf, die Notfallversorgung in allen Fachgebieten und die Stellvertretungen sicherzustellen und weist gleichzeitig auf die Dokumentationspflicht hin. Insbesondere müsse aus der ärztlichen Dokumentation «begründet und nachvollziehbar» hervorgehen, dass es sich um einen Notfall-Eingriff gehandelt habe.   
In den vergangenen Tagen wurden Vorwürfe laut, dass sich einzelne Spitäler noch den Wahloperationen widmen, während die anderen schon alle Kräfte für den Corona-Ansturm bereitstellen. Der Chef eines vom Vorwurf betroffenen Kantonsspitals versichert allerdings: Sollte die Zahl der Corona-Patienten ansteigen, dann könne das Spital den Krisenmodus sukzessive rauf respektive den Normalbetrieb runter fahren. Das sei innerhalb weniger Stunden möglich. Das Spital habe alle notwendigen Massnahmen eingeleitet und entsprechende Ressourcen hochgefahren. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Gesucht: 14'700 Profis für das Gesundheitswesen

In der Schweiz waren in den letzten Monaten etwas weniger Stellen offen als zu Jahresbeginn – sogar im Gesundheitsbereich. Ausnahme: die Ärzte.

image

Das Potenzial der vernetzten Radiologie

Das traditionelle Spitalkonzept muss sich ändern, um den Anforderungen des sich wandelnden Gesundheitswesens gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür ist das "Hub and Spoke"-Modell. Am Beispiel des Kantonsspitals Baden (KSB) zeigen wir, wie dieser Ansatz Synergien in der Vernetzung verbessern kann.

image

Spital Samedan prüft Zusammenschluss mit Kantonsspital Graubünden

Die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin untersucht zwei strategische Wege in eine nachhaltige Zukunft.

image

Kantonsspital Aarau: Mehr Betten im Neubau

Wegen einer «unverändert hohen Patientennachfrage» plant das KSA nun doch mehr Betten.

image
Gastbeitrag von Anton Widler

Physiotherapie: Eine Aktion gegen den Bewilligungs-Wildwuchs

Bei der Frage, ob bei den Gesundheitsberufen eine Berufsausübungs-Bewilligung nötig ist, gibt es grosse kantonale Abweichungen. Jetzt spielt die Physio-Branchen-Organisation SwissODP nicht mehr mit.

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.