St. Galler Chefarzt in der Kritik

Ein Chefarzt am Kantonsspital St. Gallen (KSSG) soll seine Patienten zur Nachbehandlung extern statt intern überwiesen haben. Jetzt muss er Buch dazu führen.

, 16. April 2019 um 07:03
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Der Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Kantonsspital St. Gallen (KSSG) steht unter Druck. Jörg Grünert wird vorgeworfen, Patienten zur Nachbehandlung an ein privates Therapiezentrum überwiesen zu haben. Damit habe er das Zentrum für Ergo- und Physiotherapie am KSSG boykottieren wollen, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet.
Pikant ist laut der Zeitung vor allem, dass die Leiterin des externen Therapiezentrums die Ehefrau des Chefarztes ist. Sie war als Ergo- und Handtherapeutin am Kantonsspital tätig gewesen, hat vergangenes Jahr gekündigt und sich mit anderen KSSG-Mitarbeitenden selbstständig gemacht. Es gibt Gerüchte, wonach 95 Prozent der ambulanten Patienten von Grünert im Zentrum seiner Frau therapiert werden. Weiter soll der Chirurg seinen Patienten Flyer des neuen Therapiezentrums in die Hand gedrückt haben.

Selten würde er eine Ausnahme machen

Der Chefarzt bestreitet die Vorwürfe. «Ich schreibe Verordnungen für Therapien. Ich mache weder explizite Zuweisungen noch konkrete Empfehlungen», sagt er der Zeitung. Selten würde er eine Ausnahme machen. So zum Beispiel bei Fällen mit «erhöhten Anforderungen an die Nachbehandlung» für die es in der Ostschweiz keine Alternative gäbe. Er kämpfe einzig für eine gute, therapeutische Arbeit. An der Praxis sei er, eigenen Aussagen nach, nicht beteiligt.
Die Spitalleitung des Kantonsspitals kann keine genauen Zahlen zu den Vorwürfen liefern. «Wir haben dazu keine Zahlen verfügbar», sagt KSSG-Direktor Daniel Germann dem «St. Galler Tagblatt». Nun muss der Chefarzt seit Anfang Monat Statistik führen – auf Anweisung der Geschäftsleitung. Jörg Grünert ist seit 18 Jahren am KSSG tätig.

Vorschlag des Chefarztes abgelehnt

Der Chefarzt zeigt sich mit der aktuellen Situation am spitaleigenen Zentrum für Ergo- und Physiotherapie «unglücklich», wie er der Zeitung weiter sagt. Nach einer Kündigungswelle muss das Kantonsspital derzeit ein neues Team aufbauen. Grünert hätte das Handteam aber am liebsten aus dem Zentrum herauslösen und in die Handchirurgie integrieren wollen. Die Geschäftsleitung lehnte dies aber ab. 
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