Bürokratie in der Praxis: Ein Schweizer Start-up schafft Abhilfe

Drei junge Mediziner und ein Informatiker haben eine Software entwickelt, um Ärzte von administrativen Arbeiten zu entlasten. Die Idee: Patienten beantworten Routinefragen schon vor der Sprechstunde. Nun hat das Start-up Sublimd einen Jungunternehmerpreis gewonnen.

, 14. November 2017 um 07:35
image
  • arbeitswelt
  • ärzte
  • praxis
  • spital
image
Gründerteam: Marc Herzog, Reto Kaul, Thomas Kaul, Eric Kuhn (zVg)
Ärzte kennen das: Sie stellen die immergleichen Fragen und formulieren die immergleichen Sätze für die Dokumentation. Die meisten nehmen das pflichtschuldigst hin - drei junge Mediziner und ein Informatiker wollten das ändern. «Der Prozess ist so zeitintensiv, dass kaum noch Zeit für ein offenes Gespräch und eine sorgfältige Untersuchung der Patienten bleibt», sagt Reto Kaul, CEO des Start-ups Sublimd. Er studierte an der Universität Zürich Medizin und arbeitete anschliessend zwei Jahre lang als Arzt. 
Zusammen mit seinen Berufskollegen Marc Herzog und Eric Kuhn sowie dem Informatiker Thomas Kaul fragte er sich, warum die Zeit, die der Patient im Warteraum verbringt, nicht für das Erfragen wichtiger Angaben genutzt wird: «So hat der Arzt vor der Konsultation die wichtigsten Informationen und kann besser auf den Patienten und dessen Sorgen eingehen», sagt Kaul. Mit einem Tablet, auf dem der Patient Fragen beantworten kann, ist dies technisch einfach möglich. 

20'000 Franken Preisgeld

Anfang 2016 gründeten die vier Geschäftspartner die Firma Sublimd mit dem Ziel, eine digitale Lösung bereitzustellen, die Ärztinnen und Ärzte vom zeitraubenden Prozess der Anamneseerhebung und Dokumentation entlasten soll. Nun hat Sublimd von der Basler Investment- und Beratungsfirma Seedhopper den «Summer Prize» im Bereich Health Science & Technology gewonnen. 
Die Auszeichnung ist mit 20'000 Franken dotiert. Zusätzlich zum Preisgeld erhält Sublimd die Möglichkeit, an einem Fast Track-Programm im Wert von 200'000 Franken teilzunehmen. Seedhopper ist eine neue Initiative, die das Ziel verfolgt, Start-ups im Gesundheitsbereich fachlich, strategisch und finanziell zu unterstützen. 
image
Tablet zur Patientenbefragung (Screenshot Sublimd)

Bericht wird automatisch erstellt

Die Tablet-Applikation führt Patienten auf intuitive Weise und mit einfachen Fragen zum aktuellen Leiden, der bisherigen Krankengeschichte, Medikamenten, Allergien und allen weiteren relevanten Fragen durch die Anamnese. Die Patienten sollen vor der Sprechstunde die Fragen beantworten, die Ärzte routinemässig stellen. 
Während der Beantwortung wird ein strukturierter Bericht in Form eines Fliesstextes generiert, der von den Ärzten zur Vorbereitung der Konsultation und für die Dokumentation verwendet werden kann. Zusätzlich weist die App die Ärzte auf gefährliche Symptomkonstellationen hin und soll sie in der Diagnosestellung unterstützen.

«Immense Herausforderung»

Neben der administrativen Entlastung soll die Software auch sicherstellen, dass keine relevanten Fragen vergessen gehen und die Patienten besser auf die Sprechstunde vorbereitet sind. Weil alle Daten erfasst werden, können sie auch gleich für statistische Analysen und die klinische Forschung eingesetzt werden. 
«Das Konzept klingt relativ einfach, aber es war eine immense Herausforderung und erforderte jahrelange Entwicklung, um aus dem riesigen Fragenkatalog die für den einzelnen Patienten relevanten Fragen herauszupicken und die erhobenen Informationen in einer von den Ärzten akzeptierten Form darzustellen», sagt Reto Kaul.

14 Minuten weniger pro Patient

Das Programm hat bereits Testphasen in zwei grossen Schweizer Notfallstationen durchlaufen und dabei gemäss Kaul «eine deutliche Effizienzsteigerung» gezeigt. Konkret haben die Ärzte eine durchschnittliche Zeitersparnis von 14 Minuten pro Patient und Bericht gemessen. In einem Spital soll der Produktivstart demnächst erfolgen; in einem anderen laufen noch Verhandlungen. Daneben hat Sublimd nach eigenen Angaben Verträge mit zwei Arztpraxen. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital St. Gallen hat neuen Finanzchef

Bülach, Aarau und jetzt das Kantonsspital St. Gallen. Das sind die Stationen von Martin Banaszak.

image

Oberengadin: Kredit ist «überlebenswichtig»

Die Trägergemeinden des Spitals Samedan sind sich einig: Das Oberengadin braucht eine «qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung».

image

Ein Walliser wird Chefarzt am Inselspital

Der Nachfolger von Klaus Siebenrock als Chefarzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie heisst Moritz Tannast.

image

Basel: Adullam-Stiftung engagiert Jörg Leuppi

Der CMO des Kantonsspitals Baselland wird Stiftungsrat bei der Organisation für Altersmedizin.

image

USZ macht Verlust von 49 Millionen Franken

Verantwortlich dafür sind unter anderem inflations- und lohnbedingte Kosten. Zudem mussten Betten gesperrt werden.

image

Auch das KSW schreibt tiefrote Zahlen

Hier betrug das Minus im vergangenen Jahr 49,5 Millionen Franken.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.