«Beeindruckend hoch»: Jeder dritte Arzt steigt aus

Neue Daten machen es offensichtlich: Die Gesundheitsbranche kann ihr Personal nur schlecht halten. Viele steigen aus. Und die meisten wechseln dann den Beruf und die Branche.

, 4. Mai 2016 um 08:00
image
  • ärztemangel
  • personalmangel
  • wirtschaft
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan hat erstmals Zahlen zum Thema der Berufsaustritte beim Gesundheitspersonal veröffentlicht; Grundlage waren Daten von 200'000 Personen, die das BfS im Jahr 2013 erfasst hatte. 
Die Obsan-Auswertung betrachtete dabei drei Typen von Berufsaustritten: Austritt aus der Erwerbstätigkeit, Berufswechsel und Branchenwechsel.
Und eines scheint auf den ersten Blick offensichtlich: Die Absetzbewegung ist kräftig. Knapp ein drittel der Ärztinnen und Ärzte steigt im Laufe ihres Berufslebens aus – und über vierzig Prozent der Hebammen und Pflegefachleute. Oder in Zahlen:
  • Ärzte: 31,8 Prozent
  • Zahnärzte: 27,8 Prozent
  • Pflegefachpersonal: 45,9 Prozent
  • Hebammen: 41,9 Prozent
  • Physio- und Ergotherapie: 35,0 Prozent
  • Nichtärztliche Psychotherapie: 45,3 Prozent
  • Medizinisch-technische Berufe: 43,9 Prozent
«Das sind beeindruckende Resultate», sagt Stefan Spycher, Vizedirektor im Bundesamt für Gesundheit: «Bei den unter 35-Jährigen Pflegenden sind es ein Drittel und 55 Prozent bei den über 50-Jährigen. Mit Ausnahme letzterer ist nur ein geringer Anteil der Befragten nicht erwerbstätig. Die meisten geben an, entweder den Beruf oder die Branche gewechselt zu haben.»

Austritte in der Pflege und bei Frauen mit Höchstwerten

Die Pflege führt die Statistik mit der höchsten Austrittsrate an – und hier sind die Austritte auch am konsequentesten: Sehr häufig zeigen die Daten, dass Pflegefachleute ganz aus Erwerbsleben ausgeschieden sind (15,4 Prozent) oder aber den Beruf gewechselt haben (23,1 Prozent). Keine Spitzenwerte gibt es beim Branchenwechsel: Hier bewegen sich die Zahlen mit 7,4 Prozent im Mittelfeld. Will sagen: Wer den Job wechselt, bleibt zumindest dem Gesundheitswesen relativ treu.
Statistisch unterscheidet Obsan ferner die Aussteige bei Ärzten und in der Pflege nach Frauen und Männern:
  • Ärzte: 36,8 Prozent Frauen und 29,7 Prozent Männer
  • Pflegefachpersonal: 47,2 Prozent Frauen und 38,9 Prozent Männer
image
Berufsaustritte nach Alter (2011–2013)
Das heisst: Die Ausstiegs-Quote ist in beiden Berufsgruppen bei Frauen um etwa zehn Prozentpunkte höher als bei Männern (wohl aus den bekannten Gründen).
Bei der Interpretation der Zahlen räumt das Gesundheitsobservatorium ein, dass die Wiedereinstiege nicht enthalten sind – weshalb die Zahlen nicht überschätzt werden sollten. Weiter wanderten Ärzte teilweise bereits im Studium in die Pharma, Medizinaltechnik oder Forschung ab. Denkbar auch, dass sie im weiteren Berufsverlauf – etwa durch die Pharma oder Forschung ins Ausland berufen werden.


Siehe auch: «Ärztemangel? Vielleicht gibt es einfach zuviele Aussteiger»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Hausarzt ist kein Beruf, den man subventionieren muss»

Ein Arzt macht vor, wie eine Berggemeinde zu ärztlicher Versorgung kommt. Und er kritisiert Berufskollegen, die einfach ihre Praxis schliessen.

image

Pensionierte Ärzte überbrücken Engpässe

Manche Spitäler machen vorübergehend ganze Stationen dicht, weil Personal fehlt. Die Hirslanden Klinik Linde in Biel holt pensionierte Ärzte zurück.

image

ÄRZTEMANGEL: WEGE ZU EINER NACHHALTIGEN LÖSUNG

Unser Gesundheitssystem leidet unter einem Mangel an Ärzten und Pflegepersonal. Täglich lesen wir in den Medien von Überstunden, geschlossenen Abteilungen und weiteren Notständen. Welche Fachrichtungen sind betroffen? Wie wird sich dieser Zustand akzentuieren? Welche Massnahmen wären sinnvoll?

image

Frankreichs Hausärzte gehen auf die Strasse

Statt 25 Euro pro Konsultation wollen französische Hausärzte künftig das Doppelte. Sind sie geldgierig oder arbeiten sie zu einem Hungerlohn?

image

Covid-Herbst: So ist die Stimmung in Zürich, Luzern und Bern

Steigende Infektionszahlen, verhaltene Booster-Bereitschaft und Personalmangel: die Spitäler sind unter Druck und wappnen sich mit Massnahmen.

image

Das Elektronische Patientendossier wird für alle kommen

Es herrscht breiter Konsens, dass bei der kommenden Revision der Gesetzgebung Elektronisches Patientendossier die Pflicht für ein Dossier eingeführt wird.

Vom gleichen Autor

image

Katar sucht 4000 Fachpersonen aus der Gesundheitsbranche

Die Gesundheits-Strategie 2022 des Emirats will die medizinische Versorgung massiv abbauen. Der Wüstenstaat will 4000 Fachpersonen aus aller Welt rekrutieren.

image

Swiss Medtech Award: Das sind die drei Finalisten

Drei Unternehmen zeigen den State of the Art: Es geht um präzisere Tumor-Operationen, um Trainingshilfen für Schlaganfall-Patienten – und um Operationen in den Tiefen des Auges.

image

Schweizer Innovationen an der «Health 2.0»

Auch Schweizer Unternehmer und Start-ups präsentieren sich an der grössten Innovationskonferenz für das digitale Gesundheitswesen in Barcelona. Hier schon vorab einige Inspirationen zur dreitägigen Messe.