In den nächsten Jahren kann die Schweiz mit einem deutlichen Zuwachs an Viszeralchirurgen rechnen. Das ist die gute Nachricht.
Allerdings könnten diese Chirurginnen und Chirurgen weniger routiniert beziehungsweise erfahren sein: Das ist die nicht so gute Nachricht.
Und darum werden die Ausbildungsmodelle wohl angepasst werden müssen: Dies ist das Fazit einer Studie über die künftige Versorgung in der Schweizer Viszeralchirurgie.
Sie wurde erarbeitet von einem Chirurgenteam der Thurgauer Kantonsspitäler unter der Leitung von Hans Grossen: Wie entwickelt sich der chirurgische Nachwuchs? Wie die Operationszahlen? Wie die Ausbildungskapazitäten? Mit diversen Datenquellen wurden dazu Prognosen bis ins Jahr 2040 erstellt.
Im Rückblick zeigen die Daten einen klaren Anstieg der Ausbildungszahlen: Die Zahl der medizinischen Diplome stieg von 2'725 im Jahr 2011 auf 4'647 im Jahr 2023 – und dürfte bis 2040 auf über 6'000 anwachsen. Die Zahl der Allgemeinchirurginnen und -chirurgen wuchs von 1'127 im Jahr 2009 auf 1'557 im Jahr 2023, wobei sich der Anteil der Frauen fast verdoppelte, von 11 auf knapp 25 Prozent.
Die Viszeralchirurgie blieb allerdings ein männlich geprägtes Fach: Hier lag die Zahl der Spezialisten 2023 bei insgesamt 303 – davon waren rund 11 Prozent Frauen.
Weniger Operationsmöglichkeiten
In ihrer Prognose errechnen die Thurgauer Chirurgen nun einen Anstieg der Viszeralchirurgen um etwa 50 Prozent bis zum Jahr 2040 – auf etwa 460 Fachpersonen. Höhere Abschlusszahlen an den Universitäten und die anhaltende Zuwanderung ausländischer Ärzte sollten diesen Trend stützen.
Parallel dazu untersuchten die Forscher die Fallzahlen einfacher (Appendektomien) und komplexer Operationen (hochspezialisierte Pankreasoperationen):
- Bei den Blinddarm-Operationen errechneten sie einen Anstieg von rund 12’400 (2023) auf knapp 14’700 (2040).
- Bei den hochspezialisierten Pankreasoperationen ergab sich eine Prognose von 909 im Jahr 2023 auf etwa 1136 bis 2040.
Schliesslich wurden diese Zahlen ins Verhältnis gesetzt: Danach dürften die Appendektomien pro Durchschnitts-Chirurg von 8,0 im Jahr 2023 auf 6,8 im Jahr 2040 sinken. Und die Pankreasoperationen pro Viszeralchirurg könnten von durchschnittlich gut drei Fällen pro Jahr auf weniger als zweieinhalb im Jahr 2040 sinken.
Verhältnisse pro Chirurg: Ist-Zustand und Entwicklung
- Appendektomien pro Allgemeinchirurg: Sanken von 9,10 im 2013 auf 7,97 im 2023. Prognose bis 2040: weiter sinkend auf 6,76 (−13,8 Prozent).
- Pankreasoperationen pro Viszeralchirurg: Die Zahl pendelte in den Jahren vor 2023 zwischen 2,83 und 3,34. Sie lag 2024 bei 2,87. Prognose bis 2040: Sinkt auf 2,46 (−14,4 Prozent).
- Viszeralchirurgen pro Bevölkerung: Anstieg von 2,48/100'000 im 2010 auf 4,62/100 000 im Jahr 2040 (+86 Prozent).
Nicht nur, dass dieses Verhältnis sich verändert: Die Autorinnen und Autoren verweisen auf weitere Faktoren – etwa den Trend zur Teilzeitarbeit oder neue Arbeitszeit-Regelungen wie das 42+4-Modell. Und auf der Gegenseite den Trend zu ambulanten Eingriffen.
Es gibt also durchaus einen nennenswerten viszeralchirurgischen Nachwuchs in der Schweiz, so ein Ergebnis – aber: «Dieser Trend mag zwar die Befürchtung eines möglichen Chirurgenmangels zerstreuen, wirft aber auch Fragen hinsichtlich angemessener Erfahrung und der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Versorgung auf», heisst es im Fazit der Studie: Dies «insbesondere in technisch anspruchsvollen Bereichen wie der Viszeralchirurgie, wo die Beziehung zwischen Behandlungsvolumen und Behandlungsergebnis gut etabliert ist.»
Aber bekanntlich taucht die Problematik auch in anderen chirurgischen Disziplinen auf. Die Ambulantisierung und der Abbau der Arbeitszeiten der Assistenzärzte werde wohl die Operationsmöglichkeiten der Nachwuchs-Chirurgen einschränken, so Grossen, Baechtold et al. weiter.
All dies zeige, dass Anstrengungen unternommen werden müssen, um mehr Frauen für das Fach zu gewinnen. Auch brauche die Schweiz eine stetige Überwachung der Personalentwicklung und der Ausbildungslehrpläne: Nur so lasse sich der heutige Standard der chirurgischen Versorgung zu halten.