Für Chirurgen ist es offensichtlich einfacher, eine Überweisung zu bekommen als für Chirurginnen. Zu diesem Fazit kommt eine neue Studie aus Kanada mit fast 40 Millionen Operationen. Demnach überweisen männliche Ärzte ihre Patientinnen und Patienten unverhältnismässig an männliche Chirurgen als an ähnlich qualifizierte und erfahrene Chirurginnen. Ärztinnen hingegen lassen sich bei ihrer Überweisungsentscheidungen weniger vom Geschlecht des Chirurgen beeinflussen.
Die im Fachmagazin «Jama Surgery» publizierte Studie zeigt im Detail: Ärztinnen überweisen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,6 Prozent ihre Patienten an einen weiblichen Chirurgen. Männliche Ärzte überweisen Patienten mit einer 32-prozentigen Wahrscheinlichkeit an einen männlichen Chirurgen.
Die Diskrepanz war in den chirurgischen Fachgebieten mit dem höchsten Anteil an weiblichen Chirurgen wie Gynäkologie oder plastische Chirurgie zudem am grössten.
Sind geschlechtsspezifische Vorurteile vorhanden?
Über die Gründe der Unterschiede in der Überweisungspräferenz können die Studienautoren nur spekulieren. Immerhin konnten die Forscher um Nancy Baxter die Entscheidungen der Patienten oder Merkmale des Chirurgen wie Alter oder Erfahrung ausschliessen.
Es deutet gemäss Autoren darauf hin, dass männliche Ärzte bei der Überweisung von Patienten eine «geschlechtsspezifische Voreingenommenheit» haben. Und dies benachteilige Chirurginnen, was wiederum das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der Medizin weiter vergrössere. Frühere Forschungen zeigten: Chirurginnen verdienen in Kanada während einer Operation
24 Prozent weniger pro Stunde als Chirurgen.Zahl nahm über zehn Jahre nicht ab
Die festgestellten Überweisungspräferenzen haben sich während des Beobachtungszeitraums von über zehn Jahren ausserdem nicht verbessert. Obwohl mehr Frauen in das Fachgebiet der Chirurgie eintraten. Es wird gemäss Studie oft angenommen, dass sich geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Medizin verbessern, wenn mehr Ärztinnen eintreten.
Die Analyse zeige jedoch klar, dass sich Ungleichheiten ohne aktive Interventionen nicht verbessern würden. Die Studienautoren schlagen deshalb dringend Änderungen des Überweisungsverfahrens vor. Nur so könnten die impliziten und expliziten geschlechtsspezifischen Vorurteile in der Medizin reduziert werden.