(Noch) kein Marschhalt fürs EPD

Der Nationalrat will keinen Übungsabbruch beim Elektronischen Patientendossier (EPD) und spricht 30 Millionen Franken zur Übergangsfinanzierung zugunsten der Stammgemeinschaften.

, 14. Dezember 2023 um 23:00
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«Wir sollten uns gut überlegen, ob wir diese 30 Millionen Franken einfach derart verpulvern wollen»: Thomas de Courten, SVP-Nationalrat Basel-Land. | Screenshot
Das Gesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) soll bis in fünf Jahren total revidiert werden. Doch was passiert bis dann? Einen Marschhalt einschalten oder weiterwursteln und vor allem frisches Geld einschiessen? Der Nationalrat entschied sich für die zweite Variante. Die acht Stammgemeinschaften sollen damit von Bund und Kantonen je 30 Millionen Franken erhalten.

Gesucht: Neue Nutzer

Laut Andri Silberschmidt soll damit sichergestellt werden, dass das jetzige System weiterbestehen kann und neue Nutzerinnen und Nutzer angebunden werden, so der FDP-Nationalrat am Donnerstag in der Ratsdebatte.
Damit waren nicht alle einverstanden: «Ich bin ein Digitalpolitiker und habe für mich selber das EPD angelegt. Und was ich dabei erlebt habe, sprengt jede Vorstellungskraft. Das wird so nie massentauglich sein»: Das sagte am Donnerstagabend Franz Grütter in der Nachrichtensendung «Echo der Zeit».

«Der absolute Horror»

Und im Rat erklärte der Luzerner SVP-Nationalrat: «Ich habe mir die Mühe gemacht, selber ein elektronisches Patientendossier zu eröffnen. Es war der absolute Horror, ich musste nach Zürich und habe einen halben Tag gebraucht.»
Auch hätte ihn der Arzt am Schluss ausgelacht und gesagt, das Projekt sei zum Scheitern verurteilt: Man solle da gar nicht mitmachen.
Laut Grütter sollte man die Übung abbrechen und einen Neustart wagen.
Das möchte auch sein Parteikollege Thomas de Courten. In der Debatte beschreibt er es so: «Das EPD, so wie wir es jetzt haben, ist ein Patient, und dieser Patient liegt jetzt schon wieder auf der Intensivstation. Damit er nicht verdurstet, hängen wir ihm jetzt eine 30 Millionen Franken teure Salzlösung an, aber wir können immer noch nicht sagen, an was unser Patient tatsächlich erkrankt ist.»

30 Millionen verpulvern

Die acht Stammgemeinschaften hätten alle einmal ein Businessmodell gehabt, hätten also erfolgreich finanziert sein sollen, so der Baselbieter weiter. «Jetzt geht ihnen die Luft aus, und wir wollen ihnen mit insgesamt 60 Millionen Franken – die Kantone müssen den Betrag ja verdoppeln – das Überleben sichern.»
Und weiter: «Wir sollten uns deshalb gut überlegen, ob wir diese 30 Millionen Franken einfach derart verpulvern wollen», so de Courten wörtlich. «Wir wissen eigentlich nicht, was wir damit konkret erreichen.»
Sarah Wyss widerspricht de Courten: «Die Krankheiten sind bekannt, wir wissen, woran das EPD leidet», meint die SP-Politikerin aus Basel-Stadt. Diese Mängel müssten auch möglichst schnell behoben werden. Genau das mache man mit der Totalrevision. «Jetzt geht es aber darum, dass wir in diesem Zustand das EPD ein bisschen unterstützen, dass es weiterleben kann, dass es sich entwickeln kann.»
Ob das der Ständerat auch so sieht?

GDK ist erfreut

Die Konferenz der Gesundheitsdirektoren zeigt sich erfreut über den Entscheid des Bundesrats. Kathrin Huber, seit Oktober 2023 die neue Generalsekretärin, erklärt im «Echo der Zeit»: «Wir haben mit dem EPD schon viel erreicht und auch viel investiert. Aus Sicht der GDK kann man darauf aufbauen und muss nun sinnvolle Lösungen finden, wie man die bestehenden Probleme möglichst effizient und für alle nutzbringend beheben kann.»
Die Haltung der Kantone ist in dieser Frage wichtig. Wie der Bund müssen auch sie zuhanden der Stammgemeinschaften 30 Millionen Franken beisteuern.

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