Migros zieht beim Therapie-Netz Wepractice die Reissleine

Die Expansion des Psychotherapie-Angebots ist abgesagt, die Co-Working-Plätze für Therapeuten werden geschlossen.

, 10. Dezember 2023 um 23:12
image
Symbolbild: Anthony Tran on Unsplash
Wepractice: Das erschien erst im September letzten Jahres ein weiteres Engagement, mit dem die Migros ihre Präsenz im Gesundheitswesen verstärken wollte. Man investiere eine Millionensumme in die Expansion des Psychotherapie-Netzwerks, so damals die Mitteilung aus der MGB-Zentrale – als «weiterer Baustein in der gruppenweiten Gesundheitsstrategie der Migros».
Wepractice ist ein halb digitales, halb analoges Netzwerk. Es stellt einerseits Psychotherapeuten und psychologischen Fachleuten Praxisräume zur Verfügung – insofern bildet es eine Art Coworking-Space für diese Berufe. Andererseits bietet es eine Website, auf der Patienten niederschwellig und per Klick nach psychologischer und psychotherapeutischer Beratung suchen können.

«Leider nicht nachhaltig»

Doch nun werden die Co-Working-Angebote eingestellt. Dies meldet die «NZZ am Sonntag», die Einsicht in ein entsprechendes Mail hatte: «Nach eingehender Analyse der Entwicklung von Wepractice sind wir zum Schluss gekommen, dass das Co-Working-Modell leider nicht nachhaltig betrieben werden kann», teilte darin Wepractice-CEO Gian Saratz den rund 200 Therapeuten mit. Das Co-Working-Angebot werde Ende Mai 2024 aufgegeben.
Die NZZaS zitiert auch Therapeuten, welche das Ende des Co-Working-Modells als Schlag aus dem Nichts empfinden. «Es gab keinerlei Anzeichen, dass sich das Geschäftsmodell auf dem Prüfstand befand», wird jemand zitiert: «Man hat versucht, uns mit Werbesprüchen an sich zu binden, und hat viel Geld für die Infrastruktur ausgegeben.»

Von Sparrow zu Medbase

Dass bei Wepractice ein Umbau ansteht, war allerdings absehbar. Im September 2022 hatte die Migros noch angekündigt, bis 2024 ein landesweites Netz von 40 Standorten zu knüpfen; jetzt, Ende 2023, findet sich lediglich eine neue Ortschaft mit Wepractice-Angebot, nämlich Baden.
Bekannt ist zudem, dass der Migros-Konzern momentan reihenweise Angebote auf den Prüfstand stellt – und dabei insbesondere Projekte, die nicht zu seinem Kerngeschäft zählen. Dazu gehörte auch die Startup-Tochter Sparrow Ventures, bei der Wepractice angesiedelt war, und die nun geschlossen wird. Bekannt war also auch schon, dass das Psychotherapie-Angebot verlagert wird: Ab Anfang 2024 gehört es zum Migros-Gesundheits-Konglomerat Medbase.
Das Ende des Co-Working-Angebots sei nicht das Ende von Wepractice, so die Migros zur NZZaS: Statt auf selbständige Therapeuten setze man bei Medbase auf Angestellte. Den Betroffenen habe man eine Stelle angeboten. Auch würden Möglichkeiten geprüft, um weiterhin mit selbständigen Psychologinnen und Psychologen zusammenzuarbeiten.
Dafür wird auch ein Chefpsychologe gesucht, der die therapeutische Leitung von Wepractice übernehmen soll.
Im Bereich Gesundheit steigerte die Migros mit ihren Unternehmen Medbase, Movemi (Fitness), Bestsmile und Misenso im letzten Geschäftsjahr (2022) den Umsatz um 18,9 Prozent auf 746 Millionen Franken. Der Anteil von Medbase betrug 523 Millionen Franken und verzeichnete ein Plus von 6,7 Prozent. Ein guter Teil des Wachstums war auf Zukäufe zurückzuführen.
  • Dieser Beitrag erschien auch auf unserer Partner-Site Konsider unter dem Titel «Die Migros stoppt das nächste Projekt».
  • psychologie
  • psychotherapie
  • praxis
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ex-KSW-Chefarzt lanciert interventionell-radiologische Tagesklinik

Christoph Binkert verbündet sich mit dem Medizinisch-Radiologischen Institut MRI in Zürich.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

image

Und wie schliessen wir dann das EPD an unser KIS an?

Fast 400 Millionen Franken nimmt der Bund in die Hand, um das Gesundheitswesen zu digitalisieren. Zugleich nimmt er die Software-Anbieter und Spitäler in die Pflicht.

image

Gefragter Aarauer Frauenarzt macht sich selbständig

25 Jahre lang war Dimitri Sarlos an der Frauenklinik des Kantonsspitals Aarau angestellt. Im Oktober eröffnet der Chefarzt eine eigene Praxis.

image

«Wenn Notfall-Praxen schliessen, wird es doppelt so teuer»

Ein Ex-Spitaldirektor warnt: Wenn die Kassen Notfall-Praxen keine Dringlichkeitspauschale mehr vergüten, wird es für alle sehr teuer.

image

Freie Praxisflächen an bester Lage in Oensingen

Im Glasgebäude in Oensingen, das direkt an der Autobahn A1 liegt, steht gesamthaft eine Fläche von 2'346 Quadratmeter zur Verfügung. Sie eignet sich für vielfältige Nutzungen vor allem im Medizin- und Gesundheitsbereich: Zum Beispiel für Facharztpraxen, Fitnesscenter, Physiotherapie etc.

Vom gleichen Autor

image

Curafutura: Marco Romano folgt auf Sandra Laubscher

Der ehemalige Mitte-Nationalrat wird Leiter Gesundheitspolitik und Mitglied der Geschäftsleitung.

image

Versicherer bietet allen Kunden Gen-Tests an

Beim US-Konzern Mass Mutual können alle Versicherten zwischen 35 und 70 ihr genetisches Risiko für acht Erkrankungen prüfen lassen.

image

Radiologen gehen gegen Fernsehbeitrag vor

Die Gesellschaft für Radiologie will nicht akzeptieren, dass «10 vor 10» ihren Fachbereich als Musterbeispiel für missbräuchliche Abrechnungen darstellt.