Franchise: Eigenverantwortung gibt es

Beanspruchen die Menschen viel mehr Medizin, wenn die Franchise überschritten ist? — Kaum. Dies besagt eine neue Studie von Groupe Mutuel und HSG.

, 6. Februar 2024 um 23:31
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Symbolbild: Will Francis on Unsplash
Lassen Sie sich rascher medizinisch behandeln, nachdem Ihre Krankenkassen-Franchise aufgebraucht ist? Wenn Sie mit Ja antworten, dann verhalten Sie sich wie viele andere auch. Und falls Sie Nein sagen – dann ebenfalls.
Klingt vage? Durchaus, aber das macht die Sache interessant.
Denn erstmals liegt eine Studie vor, die der Rolle der Franchise für die Krankenkassen-Kunden nachging. Ein Team der Universität St. Gallen untersuchte im Auftrag der Groupe Mutuel, ob die Versicherten nach dem Überschreiten der Franchise mehr medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Dabei wurden Kunden mit den häufigsten Franchisen beobachtet, nämlich mit 300 Franken respektive mit 2500 Franken.
Das Resultat der Beobachtung lautet: Ja, es gibt ein Muster, dass die Menschen jenseits der Franchisegrenze eher Medizin konsumieren. Aber: Dieses Muster ist nicht signifikant. Mit anderen Worten: Der Unterschied hält sich in engen Grenzen.
  • Irene Salvi, Johannes Cordier, David Kuklinski, Justus Vogel, Alexander Geissler: «Price sensitivity and demand for healthcare services: Investigating demand-side financial incentives using anonymised claims data from Switzerland», HSG Schriftenreihe in Health Economics, Management and Policy No. 2023-06, Februar 2024.
Das gilt für die «2500er Gruppe» genauso wie für die Kunden mit einer Franchise von 300 Franken.
Ein Unterschied ist höchstens, dass Menschen mit einer 300-Franken-Franchise insgesamt höhere Gesundheitsausgaben haben; aber die St. Galler Forscher stellten auch hier keinen signifikanten Anstieg des Verbrauchs nach Überschreiten der Franchise fest.
«Im Gegenteil: Die kontinuierliche Anpassung und Verbesserung unseres Gesundheitssystems bleibt eine Daueraufgabe.» — Daniel Volken, Groupe Mutuel
Dass sich viele Menschen am Endes des Jahres unnötig behandeln lassen, liess sich mit den Groupe-Mutuel-Daten also nicht nachweisen.
«Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass es zwar insgesamt ein Muster gibt, das auf eine höhere Inanspruchnahme nach Überschreiten der Franchise hindeutet, dieses Ergebnis jedoch in allen Spezifikationen unseres Modells insignifikant ist»: So das offizielle Fazit. Und weiter: «Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Franchise-System keine signifikanten nachfrageseitigen finanziellen Anreize für eine übermässige Inanspruchnahme schafft.»
«Die Studie hat uns gezeigt, dass sich das Franchisesystem in der Schweiz bewährt hat und weder bei den Versicherten noch bei den Leistungserbringern falsche Anreize für eine Überversorgung setzt», folgert der Leiter des Generalsekretariats der Groupe Mutuel, Daniel Volken: «Dies bedeutet nicht, dass wir die Diskussion über Franchisen beenden wollen. Im Gegenteil: Die kontinuierliche Anpassung und Verbesserung unseres Gesundheitssystems bleibt eine Daueraufgabe.»
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  • Gesundheitskosten
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