Diese fünf Behandlungen in der Gynäkologie sind unnötig

Nun gibt es auch in der Gynäkologie eine Top-5-Liste der unnötigen, wenn nicht gar schädlichen Routinebehandlungen. Unter anderem bei Blasenentzündungen.

, 24. August 2022 um 06:07
image
Hausärzte, Dermatologen oder Chirurgen kennen sie bereits: Die Top-5-Liste der unnötigen Behandlungen. Nun gibt es diese Liste auch für die Gynäkologie.

Das ist unnötig oder gar schädlich

Die nationale Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe nennt folgende fünf Behandlungen und Tests, die sie in der Regel für unnötig hält und die unter Umständen sogar schädlich für die Patientinnen sein können:
  • Routinemässige Antibiotikagabe bei unkomplizierter Blasenentzündung und zufällig entdeckten Bakterien im Urin.
  • Jährlicher Krebsabstrich im Rahmen der regelmässigen gynäkologischen Kontrollen.
  • Routinemässige Hormonabklärungen bei Wechseljahrbeschwerden.
  • Unbegründete Behandlung von Myomen oder Gebärmutterentfernung wegen Myomen.
  • Operative Entfernung harmloser Eierstockzysten ohne akute Beschwerden.
Ins Leben gerufen wurden die Top-5-Listen vom gemeinnützigen Verein «smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland». Er möchte damit medizinische Über- und Fehlversorgung verhindern (mehr Informationen weiter unten).

Nicht immer gleich Antibiotika

Im Fachbereich Gynäkologie raten die Autoren der Top-5-Liste davon ab, bei unkomplizierter Blasenentzündung und zufällig entdeckten Bakterien im Urin routinemässig Antibiotika einzunehmen. Schon länger ist bekannt, dass je öfter Antibiotika eingesetzt werden, desto eher Resistenzen entwickelt werden können. Es brauche deshalb einen bewussten Umgang mit Antibiotika, damit deren Wirksamkeit langfristig erhalten bleiben und auch in Zukunft bakterielle Infektionen zuverlässig behandelt werden können, sagt die Fachgesellschaft.

Heilen von selbst ab

Die Mehrheit der unkomplizierten Blasenentzündungen würden von selbst abheilen und nur in seltenen Fällen – ein bis drei Prozent – entstehe aus einer unbehandelten Blasenentzündung eine Nierenbeckenentzündung.

Auch jährliche Krebsabstriche unnötig

Auf der Liste der Empfehlungen, auf die verzichtet werden sollte, sind auch jährliche Krebsabstriche im Rahmen der regelmässigen gynäkologischen Kontrollen zu finden. Die neusten Forschungsergebnisse zeigen, dass im Alter von 21 bis 70 Jahren ein Abstand von 3 Jahren zwischen den Gebärmutterhalskrebsabstrichen optimal ist. Allfällige Folgen einer Überbehandlung können psychischer Stress, vaginale Blutung, Infektion und gar ein ungünstiger Schwangerschaftsverlauf sein.

Neu dabei: Das Kantonsspital Baselland

Inzwischen umfasst das Partnernetzwerk 15 Spitäler in der Schweiz, darunter auch das Luzerner Kantonsspital (LUKS), das Zuger Kantonsspital, das Kantonsspital Glarus oder die Universitätsspitäler Genf (HUG) und Lausanne (CHUV).
Seit neustem macht auch das Kantonsspital Baselland bei Smarter Medicine mit.
Jörg Leuppi, Chefarzt der medizinischen Universitätsklinik und Chief Medical Officer am KSBL sowie klinischer Professor für Innere Medizin an der Universität Basel, begründet den Beitritt folgendermassen: «Als Gesundheitsfachkräfte müssen wir uns unablässig fragen, welche Untersuchungen oder Behandlungen wirklich zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten beitragen und welche nicht sinnvoll sind.»

Bereits 100 unnötige Behandlungen aufgelistet

Es gibt mittlerweile fast 20 Top-5-Listen aus allen medizinischen Fachdisziplinen. Jede listet fünf Behandlungen auf, die in der Regel keinen Nutzen bringen. Laut Geschäftsführer Lars Clarfeld sind rund 20 weitere Listen geplant. Er sagt: «Bald werden medizinische Fachgesellschaften oder Organisationen von Gesundheitsberufen, die noch keine Top-5-Liste erarbeitet haben, in der Minderheit sein.»
Die Massnahmen der Top-5-Listen sind mit Risiken verbunden, die möglicherweise grösser sind als deren Nutzen für die Patienten. Deshalb empfiehlt Smarter Medicine auf die Massnahmen zu verzichten oder zumindest kritisch zu prüfen. Smarter Medicine betont: Es werde keine Behandlung à priori vorenthalten.

Weitere Top-5-Listen finden Sie hier:


  • ärzte
  • kantonsspital baselland
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Einstimmig: Zürich soll Medizin-Studienplätze massiv ausbauen

Der Kantonsrat beauftragt die Regierung, zu berechnen, wie 500 zusätzliche Plätze geschaffen werden könnten.

image

Kein Geld und keine Zusammenarbeit mehr mit Tabakindustrie

Deutsche Ärzte wollen sich nicht mehr von Tabakherstellern beeinflussen lassen. Sie haben deshalb einen neuen Kodex vereinbart.

image

Britischer Arzt wollte mit falscher Covid-Impfung morden

Ein Arzt ist zu mehr als 31 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wollte den Partner seiner Mutter mit einer Gift-Injektion umbringen.

image

Bilden Sie sich mit aktuellem Wissen in der Suizidprävention weiter

Ziel des neuen CAS Suizidprävention am Departement Gesundheit der ZHAW ist es, Suizidgedanken frühzeitig zu erkennen und Interventionen einzuleiten. Teilnehmende lernen dies in interprofessioneller Weiterbildung mit Fachpersonen aus Gesundheits-, Bildungs- und Sozialberufen.

image

Ehemaliger HUG-Chefarzt und Covid-Experte wechselt zu Privatspital

Jérôme Pugin wurde in Genf bekannt als Intensivmediziner und Symbolfigur im Kampf gegen Covid. Nun wird er medizinischer Direktor des Hôpital de La Tour.

image

Bundesrat regelt das militärische Gesundheitswesen

Bisher fehlten in der Schweiz spezielle Regeln für das militärische Gesundheitswesen. Nun will der Bundesrat diese Lücke füllen.

Vom gleichen Autor

image

Pflegefachleute verschreiben so sachkundig wie Ärzte

Das dürfte das Pflegepersonal freuen: Es stellt laut einer US-Studie genauso kompetent Arzneimittel-Rezepte aus wie Ärzte.

image

Temporär-Arbeit in der Pflege: Ein Angebot mit Haken

Es gibt gute Gründe für Pflegefachleute, sich nur noch temporär anstellen zu lassen. Aber es gibt auch ein paar gute Argumente dagegen.

image

Medikamente: Diese fünf Irrtümer müssen alle kennen

Epinephrin statt Ephedrin? Solche Verwechslungen können tödliche Folgen haben. Gut zu wissen, wo die grössten Gefahren lauern.