Hausärzte, Dermatologen oder Chirurgen kennen sie bereits: Die Top-5-Liste der unnötigen Behandlungen. Nun gibt es diese Liste auch für die Gynäkologie.
Das ist unnötig oder gar schädlich
Die nationale Fachgesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe nennt folgende fünf Behandlungen und Tests, die sie in der Regel für unnötig hält und die unter Umständen sogar schädlich für die Patientinnen sein können:
- Routinemässige Antibiotikagabe bei unkomplizierter Blasenentzündung und zufällig entdeckten Bakterien im Urin.
- Jährlicher Krebsabstrich im Rahmen der regelmässigen gynäkologischen Kontrollen.
- Routinemässige Hormonabklärungen bei Wechseljahrbeschwerden.
- Unbegründete Behandlung von Myomen oder Gebärmutterentfernung wegen Myomen.
- Operative Entfernung harmloser Eierstockzysten ohne akute Beschwerden.
Nicht immer gleich Antibiotika
Im Fachbereich Gynäkologie raten die Autoren der Top-5-Liste davon ab, bei unkomplizierter Blasenentzündung und zufällig entdeckten Bakterien im Urin routinemässig Antibiotika einzunehmen. Schon länger ist bekannt, dass je öfter Antibiotika eingesetzt werden, desto eher Resistenzen entwickelt werden können. Es brauche deshalb einen bewussten Umgang mit Antibiotika, damit deren Wirksamkeit langfristig erhalten bleiben und auch in Zukunft bakterielle Infektionen zuverlässig behandelt werden können, sagt die Fachgesellschaft.
Heilen von selbst ab
Die Mehrheit der unkomplizierten Blasenentzündungen würden von selbst abheilen und nur in seltenen Fällen – ein bis drei Prozent – entstehe aus einer unbehandelten Blasenentzündung eine Nierenbeckenentzündung.
Auch jährliche Krebsabstriche unnötig
Auf der Liste der Empfehlungen, auf die verzichtet werden sollte, sind auch jährliche Krebsabstriche im Rahmen der regelmässigen gynäkologischen Kontrollen zu finden. Die neusten Forschungsergebnisse zeigen, dass im Alter von 21 bis 70 Jahren ein Abstand von 3 Jahren zwischen den Gebärmutterhalskrebsabstrichen optimal ist. Allfällige Folgen einer Überbehandlung können psychischer Stress, vaginale Blutung, Infektion und gar ein ungünstiger Schwangerschaftsverlauf sein.
Neu dabei: Das Kantonsspital Baselland
Inzwischen umfasst das Partnernetzwerk 15 Spitäler in der Schweiz, darunter auch das Luzerner Kantonsspital (LUKS), das Zuger Kantonsspital, das Kantonsspital Glarus oder die Universitätsspitäler Genf (HUG) und Lausanne (CHUV).
Seit neustem macht auch das Kantonsspital Baselland bei Smarter Medicine mit.
Jörg Leuppi, Chefarzt der medizinischen Universitätsklinik und Chief Medical Officer am KSBL sowie klinischer Professor für Innere Medizin an der Universität Basel, begründet den Beitritt folgendermassen: «Als Gesundheitsfachkräfte müssen wir uns unablässig fragen, welche Untersuchungen oder Behandlungen wirklich zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten beitragen und welche nicht sinnvoll sind.»
Bereits 100 unnötige Behandlungen aufgelistet
Es gibt mittlerweile fast 20 Top-5-Listen aus allen medizinischen Fachdisziplinen. Jede listet fünf Behandlungen auf, die in der Regel keinen Nutzen bringen. Laut Geschäftsführer Lars Clarfeld sind rund 20 weitere Listen geplant. Er sagt: «Bald werden medizinische Fachgesellschaften oder Organisationen von Gesundheitsberufen, die noch keine Top-5-Liste erarbeitet haben, in der Minderheit sein.»
Die Massnahmen der Top-5-Listen sind mit Risiken verbunden, die möglicherweise grösser sind als deren Nutzen für die Patienten. Deshalb empfiehlt Smarter Medicine auf die Massnahmen zu verzichten oder zumindest kritisch zu prüfen. Smarter Medicine betont: Es werde keine Behandlung à priori vorenthalten.
Weitere Top-5-Listen finden Sie hier: