Herr Pöchtrager, der Kanton Baselland investiert knapp zehn Millionen Franken, um «Hospital at Home» zu etablieren. Welche Bedeutung hat diese Investition für die langfristige Planung?
Das Engagement des Kantons ist ein wichtiges Signal. Es ermöglicht uns, auf den Erfahrungen der Pilotprojekte des Kantonsspitals Baselland in Laufen und der Klinik Arlesheim aufzubauen. Dennoch bleibt die Finanzierung insgesamt unsicher. Zwar hat der Kanton die Weiterführung zugesagt, aber eine klare Tarif-Regelung fehlt, und die Rentabilität ist weiterhin ungewiss. Ich vergleiche «Hospital at Home» mit einem kleinen, zarten Bäumchen: Wir müssen sorgfältig dafür sorgen, dass es wächst und zu einer tragfähigen Säule der Versorgung wird.
Damit dieses Bäumchen gedeihen kann: Welche Erwartungen haben Sie an die Tarifpartner?
Für die Tarifgeber sollte es im eigenen Interesse liegen, innovative Modelle, die das Gesundheitssystem entlasten, mindestens kostendeckend zu finanzieren. Nur dann entsteht ein Anreiz, «Hospital at Home» nachhaltig auszubauen. Eine klar definierte und fair vergütete Fallpauschale wäre hier entscheidend.
Welche Erfahrungen haben Sie aus den bisherigen Pilotprojekten gesammelt?
Die Rückmeldungen von Patienten und Angehörigen sind durchweg positiv. Viele Angehörige empfinden es als grosse Erleichterung, nicht täglich ins Spital fahren oder auf Visiten warten zu müssen. Gleichzeitig können sie die Betreuung aktiv mitgestalten, was einen Teil der Carearbeit auffängt.
Auch die Vorteile für die Patienten sind deutlich: Die Behandlung im gewohnten Umfeld ist individueller, stressärmer und fördert die Genesung. Sie senkt das Risiko von Spitalinfektionen, erhält die Selbstständigkeit und bindet das familiäre Umfeld stärker in den Behandlungsprozess ein.
«Das Spital ist heute kein Ort mehr, sondern ein Kompetenzzentrum, das auch zuhause umgesetzt werden kann.»
Die Daten bestätigen diese Einschätzungen: Im Vergleich zu klassischen internistischen Stationen treten weniger Infekte, Delirien und Stürze auf; Anschlussrehabilitationen und Heimeintritte sind deutlich seltener. Eine wissenschaftliche Auswertung erfolgt derzeit in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule.
Und wie reagieren die Mitarbeitenden?
Sehr positiv. In Arlesheim haben wir zum Beispiel null Pflegefluktuation. Das Modell stiftet Sinn, weil wir die Patientinnen und Patienten in ihrer häuslichen Realität behandeln. Wir berücksichtigen die Lebensumstände und erkennen Ressourcen, die im Spital oft verborgen bleiben. Das schafft Nähe und spart lange Gespräche.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen im Baselbiet?
Zum einen braucht es hochprofessionelle, engagierte Gesundheitsfachkräfte. Die gibt es in der Schweiz, aber wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie in diesem Setting arbeiten wollen und nicht aus dem Beruf aussteigen. Zum anderen ist die Finanzierung komplex: Der Kanton trägt seinen Teil, die Krankenkassen müssen mitziehen, und auf Bundesebene braucht es regulatorische Anpassungen. Das Spital muss neu gedacht werden – nicht mehr als ortsgebundenes Gebäude, sondern als ortsunabhängiges Kompetenzzentrum.
Wie fügt sich «Hospital at Home» in die integrierte Versorgung ein?
Es ist ein wichtiger Puzzlestein. Von der Spitex bis zur hochspezialisierten Medizin müssen alle Elemente ineinandergreifen. Während der Behandlung bleibt die Spitex für die Pflege zuständig – die Zusammenarbeit ist entscheidend. Das Modell funktioniert nur, wenn alle Beteiligten, von Patientinnen und Angehörigen bis zu Ärztinnen und Pflegepersonal, abgestimmt handeln.
Was braucht es zusammengefasst, damit «Hospital at Home» Erfolg hat?
Vision und einen Kulturwandel. Wir brauchen integrierte Versorgung, neue Finanzierungsmodelle, eine enge Zusammenarbeit aller Akteure – und das Verständnis, dass ein Spital heute kein Ort mehr ist, sondern ein Kompetenzzentrum, das auch zuhause umgesetzt werden kann. Wenn wir diese Puzzlesteine richtig zusammensetzen, kann «Hospital at Home» zu einer tragenden Säule der modernen Versorgung werden.