Viele verfehlte Verschreibungen in der Grundversorgung

In der Schweiz könnte jedes fünfte Medikament für ältere Patienten unnötig oder falsch sein: Dies deutet eine Studie an.

, 8. Juli 2024 um 12:43
letzte Aktualisierung: 19. September 2025 um 07:10
image
Bild: Diana Polekhina on Unsplash
Mehr als die Hälfte der älteren Patienten in der Grundversorgung erhalten potentiell unangebrachte Medikamente. Und jedes fünfte Rezept für diese Zielgruppe vermittelt ein unnötiges oder gar falsches Medikamente. Dies deutet eine Studie an, die unlängst im «JAMA Open Network» erschienen ist.
Ein Team von Forschern des Instituts für Hausarztmedizin in Zürich sowie des Inselspitals untersuchte dafür die Verschreibungen für fast 116’000 Patienten im Alter über 65. Die Basis bildeten Daten der Forschungsdatenbank FIRE des Instituts für Hausarztmedizin, erfasst zwischen Januar 2020 bis Dezember 2021.
  • Simeon Schietzel, Stefan Zechmann, Yael Rachamin, Stefan Neuner-Jehle, Oliver Senn, Thomas Grischott: «Potentially Inappropriate Medication Use in Primary Care in Switzerland», in: JAMA Netw Open, Juni 2024.
  • doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.17988
Dabei analysierten die Forscher insgesamt 1,2 Millionen Verschreibungen für 116’000 Patienten und legten als Massstab sechs verschiedene anerkannte Listen für PIM – also für potentiell inadäquate Medikation – an. So etwa die amerikanische Beers Criteria List oder die deutsche Priscus-Liste.
Ein Resultat: 52 Prozent der erfassten Patienten erhielten nach mindestens einer Kriterienliste eine «Potentially Inaproppriate Medication». Bei 19 Prozent der analysierten Rezepturen handelte es sich solch eine PIM.
Allerdings schwankte der Anteil je nach Liste zwischen knapp 13 Prozent (Priscus-Liste) und gut 37 Prozent (Konsensusliste EU-7).

Schmerzmittel, Schlafmittel, Antidepressiva

Die häufigsten Fälle von potentiell unpassender Medikation betrafen Pantoprazol (9,3 Prozent aller verschriebenen PIMs), Ibuprofen (6,9 %), Diclofenac (6,3 %), Zolpidem (4,5 %) und Lorazepam (3,7 %).
Und knapp zwei Drittel der Fälle entfielen auf die Wirkstoffklassen Analgetika, Protonenpumpenhemmer, Benzodiazepine, Antidepressiva und Neuroleptika.
Die Autoren kommen folglich zum Schluss, dass die Ärzte mit Vorteil diese fünf Medikamentenklassen ins kritische Auge nehmen, wenn sie ihre Verschreibungen perfektionieren wollen. Als weitere Strategien nennt das Team die regelmässige Überprüfung der Medikation älterer Patienten durch speziell geschulte Mediziner und Apotheker. Auch könnten spezielle Programme erarbeitet werden, um das Bewusstsein für die Problematik zu schärfen.
  • apotheken
  • Grundversorgung
  • Hausarztmedizin
  • pharma
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Apotheke kooperiert mit Ärzten – Kritik aus Fachverband

In Küsnacht kooperieren eine Apotheke und eine Hausarztpraxis neu unter einem Dach. Der Apothekerverband begrüsst das Modell, der Haus- und Kinderärzteverband Zürich warnt vor Qualitätsrisiken.

image

Luzern: Zentrum für Hausarztmedizin unter neuer Leitung

Balthasar Hug ist neuer Vorsitzender des Zentrums für Hausarztmedizin und Community Care der Uni Luzern, gemeinsam mit den Co-Leitern Thekla Brunkert und Stefan Neuner-Jehle.

image

Apotheken: Mehr Bedeutung, weniger Nachwuchs

Die Zahl der Apotheken in der Schweiz bleibt konstant – der Arbeitsaufwand steigt. Laut der Jahresstatistik von Pharmasuisse nehmen Beratungen zu, während das System personell an Grenzen stösst.

image

Apotheken gegen häusliche Gewalt: Aargau lanciert E-Learning

Die Aargauer Polizei verzeichnet täglich sieben Einsätze wegen häuslicher Gewalt. Ein E-Learning für Apotheken soll helfen, Betroffene zu erkennen und zu unterstützen.

image

Abnehmspritzen für Minderjährige: Erlaubt, aber wenig verordnet

Seit vier Monaten ist Wegovy auch für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Die Bedingungen sind aber streng. Zu streng, wie eine Kinderärztin kritisiert.

image

Bürokratie auf der Packung: Heilmittel-Firmen schlagen Alarm

Eine Allianz von Pharmafirmen wendet sich gegen die geplante Pflicht, individuelle Sicherheitsmerkmale auf Medikamentenpackungen zu setzen: Günstige Arzneimittel würden bedroht – obwohl es gar keinen Grund für die ganze Bürokratie gibt.

Vom gleichen Autor

image

Diese 29 Erfindungen machen die Medizin smarter

Das US-Magazin «Time» kürte die wichtigsten Innovationen des Jahres aus dem Gesundheitswesen. Die Auswahl zeigt: Fortschritt in der Medizin bedeutet heute vor allem neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Methode.

image

Privatklinik Aadorf: Führungswechsel nach 17 Jahren

Die Privatklinik Aadorf bekommt einen neuen Leiter: Michael Braunschweig tritt die Nachfolge von Stephan N. Trier an.

image

Baselbieter Kantonsparlament stützt UKBB

Das Universitäts-Kinderspital beider Basel soll frische Subventionen erhalten, um finanzielle Engpässe zu vermeiden. Der Entscheid im Landrat war deutlich. Doch es gibt auch Misstrauen.