Swissmedic kennt bereits heute stark vereinfachte Zulassungsverfahren

Warum nicht die Zulassung von patentabgelaufenen Arzneimitteln vereinfachen? Weil es nichts bringt.

, 5. März 2025 um 13:57
image
Was in der EU oder in Grossbritannien wirkt, wirkt doch auch hier? Forschungslabor des britischen Konzerns GSK  |  Bild: PD
Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind eine Realität. Was liegt da näher als die Zulassungsprüfung durch die Swissmedic zu vereinfachen – zumindest für patentabgelaufene Medikamente, die bereits in Ländern mit strengen Zulassungsbehörden genehmigt wurden?
Genau das will eine Motion des Schaffhauser SVP-Ständerats Hannes Germann, die am Donnerstag im Ständerat traktandiert ist.

Knapper Entscheid

Die vorberatende Ständeratskommission lehnt die Motion ab – allerdings mit fünf zu fünf Stimmen bei zwei Enthaltungen und Stichentscheid des Präsidenten denkbar knapp.
Was spricht denn dagegen? Laut dem Bundesrat gibt es in der Schweiz bereits stark vereinfachte Zulassungsverfahren für Medikamente, die in Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle zugelassen sind.
«Swissmedic verzichtet unter bestimmten Voraussetzungen sogar vollständig auf eine inhaltliche Prüfung der wissenschaftlichen Dokumentation», schrieb die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zur Motion.

Martinelli: «Bringt nichts»

Dass diese Motion nichts bringt, sagt auch Enea Martinelli, der Chefapotheker der Spitäler FMI in Interlaken – also jener Mann, der wie kaum ein anderer gegen Versorgungslücken im Medikamentenmarkt ankämpft.
Die Überlegung: Wenn Swissmedic die gesetzliche Möglichkeit hat, patentabgelaufene Medikamente ohne inhaltliche Prüfung der wissenschaftlichen Dokumentation zuzulassen und es dennoch nicht tut, so ist dem auf gesetzlicher Ebene nicht beizukommen.

Risiko von Fälschungen

Der Apothekerverband PharmaSuisse befürwortet grundsätzlich administrative Erleichterungen bei der Zulassungserteilung von Arzneimitteln, wenn sich dies nicht negativ auf die Versorgungssicherheit und die Patientensicherheit auswirkt.
Dennoch lehnen auch die Apotheker die Motion ab: Das Risiko von Fälschungen würde erhöht und Generika aus der EU könnten ohne umfassende Prüfung auf den Markt kommen, erklärt Pharmasuisse auf Anfrage. Die Gesetzesanpassung würde signalisieren, dass Qualitätsprüfungen vernachlässigbar wären. Das gefährde die Versorgungssicherheit und könnte zu Lieferengpässen lebenswichtiger Arzneimittel führen.

Swissmedic wehrt sich

Was sagt Swissmedic zum unterschwelligen Vorwurf, die gesetzlichen Möglichkeiten der vereinfachten Zulassung nicht auszuschöpfen? «Swissmedic führt keine eigene wissenschaftliche Begutachtung durch, wenn für das Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen die Zulassung in einem Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle bereits erteilt worden ist», schreibt die Behörde.
Hingegen führe man eine wissenschaftliche Begutachtung durch bei Produkten, die Bedenken erwecken. Dies sei der Fall, …
  • … wenn sich die Entscheide der Behörden in zwei oder mehreren Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle widersprechen;
  • … wenn Swissmedic aufgrund eigener früherer Begutachtungen, neuer Erkenntnisse aus der veröffentlichten Fachliteratur oder von Informationen aus der Zusammenarbeit mit anderen Arzneimittelbehörden wesentliche Bedenken gegenüber dem ausländischen Zulassungsentscheid hat.

Out-of Stock Gesuch

Interpharma, der Verband der forschenden Pharmaindustrie, erklärt zudem, dass Zulassungs-Inhaberinnen bei Swissmedic ein Out-of Stock Gesuch stellen können. So können bei Versorgungsengpässen Präparate in ausländischer Aufmachung zugelassen werden. Dies unter der Bedingung, dass …
  • … die Verfügbarkeit des Arzneimittels therapeutisch wichtig ist;
  • … von keinem erhöhten Risiko bezüglich Arzneimittelsicherheit ausgegangen werden muss;
  • … für dieses Mittel in der Schweiz kein gleichwertiges Alternativpräparat zur Verfügung steht.
Interpharma erinnert daran, dass Parallelimporteure nicht verpflichtet sind, den Standort Schweiz zu versorgen. «Sobald sich das Geschäft nicht mehr lohnt, verschwinden diese wieder.» Einmal verschwundene Lieferkapazitäten könnten aber nicht kurzfristig wieder aufgebaut werden.
Bei all diesen Argumenten unterschiedlicher Interessenvertreter ist es doch bemerkenswert, dass die Motion des Schaffhauser Polit-Urgesteins Hannes Germann in der Ständeratskommission parteiübergreifend Unterstützung findet – sowohl von SP-, als auch SVP-Mitgliedern und auch einem Mitglied der Mitte-Partei.
  • pharma
  • apotheken
  • medikamente
  • swissmedic
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Apotheke kooperiert mit Ärzten – Kritik aus Fachverband

In Küsnacht kooperieren eine Apotheke und eine Hausarztpraxis neu unter einem Dach. Der Apothekerverband begrüsst das Modell, der Haus- und Kinderärzteverband Zürich warnt vor Qualitätsrisiken.

image

Apotheken: Mehr Bedeutung, weniger Nachwuchs

Die Zahl der Apotheken in der Schweiz bleibt konstant – der Arbeitsaufwand steigt. Laut der Jahresstatistik von Pharmasuisse nehmen Beratungen zu, während das System personell an Grenzen stösst.

image

Medikamente: Nationalrat lehnt einfachere Zulassung ab

Im Unterschied zum Ständerat will der Nationalrat nichts wissen von einer erleichterten Einfuhr patentabgelaufener Medikamente.

image

Sterilisations-Regeln zwingen Praxen zum Einwegbesteck

Mehr Kontrolle, mehr Kosten, mehr Müll: Ärzte kritisieren seit längerem die Sterilisationsauflagen von Swissmedic. Nun geht ein SP-Parlamentarier in Basel das Problem kantonal an.

image

Medis im Ausland günstig kaufen? Vergiss es

Der Ständerat will nicht, dass Kosten gespart werden, indem der Kauf von Medikamenten im Ausland zulasten der Grundversicherung ermöglicht wird.

image

Apotheken gegen häusliche Gewalt: Aargau lanciert E-Learning

Die Aargauer Polizei verzeichnet täglich sieben Einsätze wegen häuslicher Gewalt. Ein E-Learning für Apotheken soll helfen, Betroffene zu erkennen und zu unterstützen.

Vom gleichen Autor

image

Von Herzen II: Thierry Carrel blickt zurück

Mit seinem zweiten Buch zieht der Freiburger Herzchirurg Bilanz. Persönlich, kritisch – und musikalisch begleitet vom Klang eines Alphorns.

image

Verrichten Angehörige und Spitex-Profis die gleiche Arbeit?

Krankenkassen fordern für die Angehörigenpflege eine Anpassung des KVG-Beitragssatzes.

image

Sexuelle Übergriffe – trotzdem kein Berufsverbot

In Zürich ist ein Arzt wegen Schändung und mehrfacher sexueller Nötigung verurteilt worden. Im Aargau darf er weiter praktizieren.