Sind medizinische Studien unfair?

Studiendesigns sollen fairer und realistischer gestaltet werden. Das fordern Forschende des Universitätsspitals Basel – und schlagen ein neues Konzept vor.

, 7. September 2025 um 23:00
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KI-Bild: Adobe Stock.
Viele neue Therapien werden heute auf Basis sogenannter Single-Arm-Studien zugelassen. Diese wiederum stützen sich meist auf selektive und leicht rekrutierbare Patientengruppen. Eine mögliche Folge: Die Resultate sind wenig repräsentativ und für zukünftige Patientinnen und Patienten nur eingeschränkt aussagekräftig.
Forschende des Universitätsspitals Basel (USB) haben gemeinsam mit der Stanford University und der Oslo University ein neues Studiendesign entwickelt, um dieses Problem zu beheben.
  • Perrine Janiaud, John P.A. Ioannidis, Benjamin Kasenda, et al.: «Single-Arm Trials Can Provide Randomized Real-World Evidence: The Random Invitation Single-Arm Trial Design», in: «Annals of Internal Medicine», Juli 2025.
  • DOI:10.7326/ANNALS-24-02979.
Das «Random Invitation Single-Arm Trial» (RISAT) soll fairere Teilhabe, bessere Repräsentativität und hochwertigere Vergleichsdaten ermöglichen, so das USB in einer Mitteilung.
Das Konzept:
  • Patientinnen und Patienten werden per Zufallsprinzip eingeladen, an einer Studie mit einer neuen Behandlung teilzunehmen.
  • Auf eine klassische Kontrollgruppe wird verzichtet.
  • Gleichzeitig werden Routinedaten wie elektronische Gesundheitsakten, Register oder Versorgungsdaten genutzt.

Schneller, günstiger, gerechter

Mit RISAT können potenzielle Teilnehmende direkt aus bestehenden Registern oder elektronischen Patientenakten ausgewählt werden. Nach Meinung der Forschenden beschleunigt das die Rekrutierung und reduziert den organisatorischen Aufwand erheblich. Zudem senke das Zufallsprinzip Selektions- und Zugangshürden: Auch bislang benachteiligte Gruppen erhalten hier bessere Chancen auf Studienteilnahme.
«Ärztinnen und Ärzte haben mit dem neuen Studiendesign potenziell bessere Entscheidungsgrundlagen für ihre Diagnose und Therapie durch zuverlässige und realistische Vergleichsdaten aus dem Versorgungsalltag», sagt Benjamin Kasenda, Mitautor und Onkologe am Universitätsspital Basel.
Ein Fazit der Forschenden lautet aber auch: Hochwertige Dateninfrastrukturen sind wichtig. Routinedaten müssen systematisch erhoben, standardisiert und fortlaufend gepflegt werden, um wissenschaftlich aussagekräftige Analysen und faire Zufallsauswahlen zu ermöglichen. In der Onkologie des USB ist RISAT bereits im Einsatz.

  • forschung
  • USB
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