Frau Fasser, wie würden Sie das Gesundheitszentrum Val Müstair beschreiben?
Wir vereinen alle Dienstleistungen unter einem Dach; Akutspital, Pflegeheim, Spitex, Rettungsdienst und Arztpraxis sowie Physiotherapie und Zahnarzt. Unser Einzugsgebiet umfasst den Lebensraum von 1550 Personen in einem Umkreis von 25 Kilometern. Via Ofenpass behandeln wir auch Schweizer Touristen sowie Touristen in Südtirol. Mit 86 Mitarbeitenden – davon 45 Vollzeitstellen – sind wir der grösste Arbeitgeber der Region.
Judith Fasser
Die gebürtige Amdenerin wohnt und arbeitet seit 30 Jahren im Val Müstair, sie spricht fliessend romanisch. Nach der Ausbildung zur Pflegefachfrau leitete sie unter anderem eine Spitex in stellvertretender Funktion. 2007 beendete sie die Ausbildung als Gerontologin und leitete das Pflegeheim. Von 2011 bis 2013 bildete sie sich zur eidg. dipl. Institutionsleiterin im sozialen und sozialmedizinischen Bereich aus. 2013 übernahm sie die Leitung des Gesundheitszentrums.
Was macht Ihr Spital aus?
Unser Gesundheitszentrum hat kurze Informationswege ohne Unterbrüche; ärztlich, pflegerisch und punkto Qualität bieten wir eine kompakte Dienstleistung an einem Ort. Wir begleiten unsere Patienten mit dem gleichen Arzt oder der Arztgruppe und beim Wechsel in einen anderen Bereich. Unsere Pflege engagiert sich bereichsübergreifend. Und das Thema Weiterbildung ist für uns zentral.
Und was sind die herausragenden Dienstleistungen?
Unser Bereich Notfall und Rettungsdienst mit 11 Mitarbeitenden – ohne Ärzte – ist das Resultat einer laufend bedürfnisorientierten Erweiterung. Wir verfügen über zwei Krankenwagen mit zwei Teams. Unsere Strassenrettung im Sommer für Motorradunfälle in der Region Umbrail- und Ofenpass bildet dabei den grösseren Anteil als Skiunfälle im Winter.
Das Gesundheitszentrum Val Müstair
Das Spital in Sta. Maria offeriert 3,5 Betten und behandelt circa 160 Fälle pro Jahr. Hinzu kommen 28 Plätze im Pflegeheim und etwa 60 Spitex-Klienten. In der Arztpraxis werden jährlich 7500 bis 8000 Patienten behandelt. Der Notfall- und Rettungsdienst vollbringt rund 100 Einsätze
Eine weitere Spezialität: Unser Chefarzt Theodor von Fellenberg bietet als ausgebildeter Tropenarzt eine reisemedizinische Beratung für Interessierte aus dem Südtirol an. Diese Spezialkompetenz ist aktuell mit der Flüchtlingssituation sehr gefragt; in unserer Nähe kümmern wir uns um 55 platzierte Flüchtlinge mit Infektions- und Gesundheitsproblemen.
Mit der dritten Staffel unserer Ultraschall-Kurse haben wir eine neue Nachfrage geweckt; die Anmeldungen für unser praktisches Ultraschall-Training haben sich verdreifacht und in den zwei Tagen mit Vorabend- und Rahmenprogramm ist unsere Kapazität von 20 Teilnehmenden voll. Das Referat ist durch einen internationalen Spezialisten abgedeckt, die 1:2 Trainings und das landschaftliche Rahmenprogramm sind sehr beliebt.
Nach gut drei Jahren Spitaldirektorin – was hätten Sie für einen Wunsch?
Ich würde mich freuen, wenn wir unsere grenzübergreifenden Angebote intensivieren könnten, um damit unsere tägliche Ärzteauslastung zu optimieren. Gleichzeitig wäre eine Erweiterung des Wissensaustausches als Spital in einer teilweise entlegenen Bergregion wünschenswert; nicht nur im eigenen Kanton, sondern im Austausch mit Fachpersonen in der Schweiz und auch international unter dem Dachbegriff «Remote Healthcare».
Sie führen das kleinste Spital der Schweiz: Ist da das Überleben nicht ein Dauerbrenner in der Strategieplanung?
Mit dem Bedarf an Spitex- Pflegeheim- und Arztpraxis-Dienstleistungen für Menschen ab 60 ist für unser Gesundheitszentrum ein Zeitraum zwischen 20 und 30 Jahren gesichert. Aber bei unserer Grösse und mit dem defizitären Verlauf stellt die Zukunft konstant eine Herausforderung dar. Unsere umsichtigen Überlegungen beinhalten immer wieder, zielführende Veränderungen zu prüfen.