«Wir brauchen ‹richtige› Ärzte – keine Techniker»

Die Schweizer Haus- und Kinderärzte fordern, dass rasch gehandelt wird. Nur so kann die drohende medizinische Versorgungslücke halbwegs abgefedert werden. Dieser Massnahmenkatalog soll helfen.

, 31. März 2016 um 14:12
image
  • hausärzte
  • ärzte
  • ärztemangel
  • politik
  • praxis
Bis ins Jahr 2030 fehlen der Schweiz 5'000 Hausärzte. Dies besagt die heute veröffentlichte «Work Force Studie» der Uni Basel und des Berufsverbandes Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe  (mehr dazu hier).  
Der Verband mfe fordert daher rasches Handeln. Man sei daran, Massnahmen zu treffen, sagte Präsident Marc Müller vor den Medien in Bern. Gewiss, die Politik reagiere, vieles sei im Gang – es brauche aber zu lange. «Wir dürfen nicht nachlassen, sondern müssen noch mehr tun». 
Mfe-Vizepräsident François Héritier stellte dann auch drei langfristige Massnahmenbereiche vor:
1. Berufsimage verändern

  • Attraktiveres Image des Hausarztes gegenüber Spezialisten
  • Interessante Arbeit
  • Work-Life-Balance
  • Finanzielle Aufwertung (Steuerung über Tarif?)

2. Hausarztmedizin als Teil des Medizinstudiums

  • Mehr Ärzte ausbilden: Mehr als 1'300 pro Jahr. 
  • Die 100 Millionen-Frage: Die vom Bundesrat bewilligten 100 Millionen Franken für neue Medizin-Studienplätze sollte der Ausbildung von «richtigen» und «echten» Ärzte zugutekommen – also nicht für MINT-Techniker. Grundversorgung statt Grundlagenforschung, so sollte das Motto sein.
  • Ausbildungsziel gemäss Gesetz überprüfen: Vermehrte Ausbildung zum Hausarzt (kein Zwang).
  • Mehr und engere Kontakte zwischen Hausärzten und Studierenden.
  • Bessere akademische Wahrnehmung der Hausarztmedizin.
  • Hausarzt-Koordinatoren an der Uni.
  • Forschung in der Hausarztmedizin fördern.

3. Praktikum in Hausarztmedizin in der Weiterbildung

  • Mentoring
  • Mehr ambulante Behandlung in der Praxis
  • Weitere Finanzierung, Entwicklung, Verstärkung der Assistenz in der Arztpraxis
  • Assistenz in der Arztpraxis als Obligatorium?

Interprofessionalität als Zauberwort?

Viel Zeit bleibe nicht, sagte Philippe Luchsinger, Vorstandsmitglied von mfe. Es brauche denn auch schnelle, kurzzeitige Lösungen. Denn es sei unethisch, dass die Schweiz einfach weiter Ärzte im «Ausland absaugt», so die Verbandsspitze.
Das Zauberwort sei «Interprofessionalität». Der Verband habe das schon vor Jahren erkannt. Das Ziel dahinter: einfache Bottom-up-Projekte mit Medizinischen Praxisassistentinnen, Pflegenden, Apothekern, Ärzten anderer Spezialitäten.

«Politik muss Weichen stellen!»

Zudem appelliert der Verband an die Politik und Verwaltung. Pragmatik sei gefragt. Man erwarte die Unterstützung von Projekten. Und mehr Geld. 
Luchsinger nannte das Beispiel der Forderung nach mehr Kompetenz der Medizinischen Praxisassistentinnen. Das sei zwar immer wieder ein Thema. Aber bezahlen müssten die Praxen selber. «Das benötigt Goodwill». Genau das möchte man ändern.
Es sei jetzt an der Politik und Verwaltung, die «alarmierenden Ergebnisse aufzunehmen und die Weichen richtig zu stellen», so ein Fazit des Verbandes. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Personalisierte Medizin: Was heisst das für die Solidarität?

Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich einen fairen Zugang zu innovativen Therapien. Doch wer soll die Rechnung bezahlen? Eine neue Studie zeigt, wie es um Solidarität und Kostenbewusstsein steht.

image

Nachfolge gesucht: MPA-Team schreibt Arztstelle aus

In Münsingen läuft es für einmal umgekehrt: Medizinische Praxisassistentinnen suchen Ärzte – um gemeinsam eine Praxis weiterzuführen.

image

Schweizer Ärzte sind besorgt über WHO-Austritt der USA

Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist für das Medizin-Personal in der Schweiz nicht so unwichtig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.

image

Medbase expandiert in der Westschweiz

In Bulle plant die Praxis-Gruppe ein neues medizinisches Zentrum.

image
Gastbeitrag von Esther Wiesendanger

Da sind steigende Gesundheitskosten ja nur logisch

Getrennte Apotheken in Gruppenpraxen, Impfverbote in der Pflege, teure Zusatzkontrollen: Groteske Behörden- und Kassenentscheide lähmen die Versorgung. Sind wir Ärzte eigentlich Komiker?

image

Pallas Kliniken streichen 20 Stellen

Das Familienunternehmen will sich am Hauptsitz in Olten auf weniger Fachbereiche fokussieren.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.