Frau Meier, immer mehr Spitäler kämpfen mit multiresistenten Keimen. Und offenbar sind solche Keime, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind, auf dem Vormarsch. Wie gefährlich leben Spitalangestellte?
Die Gefahr, dass sich das Personal ansteckt, ist gering. Denn erstens ist das Personal entsprechend ausgebildet und geschult. Und zweitens sind solche Keime vor allem für immungeschwächte Patienten – zum Beispiel mit Krebs oder nach einer Transplantation – eine Gefahr.
Wie schützt sich das Spitalpersonal?
In der Regel mit den Standardhygienemassnahmen. Das heisst: Mit Händedesinfektion bei normalen Verrichtungen. Und mit Handschuhen bei Verrichtungen, bei denen das Personal mit Urin, Stuhl oder Blut in Kontakt kommt. Hustet ein Patient, ist zusätzlich ein Mundschutz nötig, um die Keimübertragung zu verhindern. Wichtig ist auch, dass das Personal Berufskleider oder in speziellen Fällen Schutzkleider trägt, damit die Keime nicht nach Hause genommen werden.
Und diese Hygienemassnahmen werden auch eingehalten?
Es kommt vor, dass in der Hektik das Händedesinfizieren nicht zu 100 Prozent befolgt wird. Wenn etwa ein Patient umzufallen droht, desinfiziert sich niemand die Hände, bevor man dem Patienten hilft. Was augenfällig ist: Die guten Vorbilder sind sehr wichtig. Wenn die Chefärztin vor jeder Visite die Hände desinfiziert, machen das die anderen auch.
Ist es schon vorgekommen, dass Personal wegen multiresistenten Keimen im Spital erkrankt ist?
Das lässt sich im Einzelfall schwer sagen. Denn diese Keime kommen ja nicht nur im Spital vor. Es gibt sie auch in Nahrungsmitteln wie etwa im Pouletfleisch. Sie kommen auch in der Umwelt vor, speziell in Ländern mit niedrigem Hygienestandard. Und von dort können sie als Reisesouvenir mitgebracht werden. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle verursachen diese Keime aber keine Krankheiten, sondern leben als Teil der normalen Bakterienpopulation auf unserer Haut oder in unserem Darm.
Warum sind die multiresistenten Keime denn so gefürchtet?
Weil besonders bei stark immungeschwächten Patienten die Gefahr besteht, dass sie zum Beispiel an einer an sich behandelbaren Infektion sterben, nur weil es schlicht kein Antibiotikum mehr gibt, das nützt.
Was ist mit ganz neuen Keimen, die man noch nicht kennt?
Grundsätzlich ist die Standardhygiene das A und O. Diese schützt dann, wenn man nicht weiss, ob der Patient einen gefährlichen Keim in sich trägt. Wenn der konkrete Verdacht besteht, dass ein Patient unbekannte Bakterien oder Viren verbreiten könnte, welche lebensgefährliche Infektionen hervorrufen können, ergreift das Personal besondere maximale Schutzmassnahmen. Dazu gehören unter anderem Handschuhe, Schutzbrille Mantel und Mundschutz. Erst wenn sich der Verdacht entkräftigt, kann das Personal auf diese Schutzmassnahmen verzichten.
Verbreiten sich die Keime nur bei direktem Körperkontakt?
Nein. Sie können auch indirekt übertragen werden, also über unbelebte Oberflächen, auf denen die Keime überleben können. Deshalb muss auch die Umgebung der Patienten desinfiziert werden. Mit einem Stethoskop, einem Blutdruckmessgerät oder einem Ultraschallgerät können Keime ebenfalls weiterverbreitet werden. Solches Material muss gut desinfiziert werde. Weil das auf Oberflächen, die nicht glatt sind, zum Teil sehr schwierig ist, verwenden wir wenn möglich Einwegmaterial, das nach dem Einsatz entsorgt wird.
Gibt es unter den Angestellten Ängste, dass sie wegen Keimen aus dem Spital krank werden könnten?
Ich denke, die meisten sind gut informiert. Oder sie lassen sich informieren. Ich hatte zum Beispiel schon Anfragen, ob multiresistente Keime eine Gefahr für Kinder oder Angehörige zuhause sein könnten.
Und sind sie es?
Kaum. Auf den Kleidern überleben solche Keime nicht lange. Ausserdem wissen Spitalangestellte Bescheid, dass sie Berufskleidung tragen und ihre Kleidung entsprechend wechseln und waschen müssen.
Gibt es andere Ansteckungen, denen das Spitalpersonal vermehrt ausgesetzt ist?
Es kommt immer wieder vor, dass Angestellte mit dem Norovirus infiziert werden. Davon braucht es ganz wenig, bis die Betroffenen starken Durchfall bekommen und erbrechen müssen. Das ist zwar sehr lästig, aber es geht nach ein bis zwei Tagen ohne bleibende Schäden vorüber.
Wie ist es mit der Grippe? Lassen sich mittlerweile mehr Angestellte impfen?
Das ist in der Schweiz von Spital zu Spital ganz unterschiedlich. Im Kinderspital Zürich hat man eine sehr gute Impfrate erreicht. Möglicherweise reagiert das Personal sensibler, wenn es mit Kindern zu tun hat.