Wenn der Roboter die Biopsie einleitet

In Deutschland wurde ein neues System vorgestellt, bei dem der Arzt bloss fünf Minuten zum Platzieren der Interventions-Nadel benötigt.

, 18. November 2016 um 10:00
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Wie lange dauert es, die Interventionsnadel für eine Biopsie richtig zu setzen? Kommt drauf an – doch vielleicht vielleicht dauert es bald noch ein Sechstel so lang. 
Das deutsche Fraunhofer-Institut hat an der Medtech-Messe Medica in Düsseldorf einen Roboter vorgestellt, welcher die Biopsie enorm unterstützen soll: Der Arm positioniert an der richtig Einführungsstelle eine Nadelführung, durch die der Arzt die Nadel einbringen kann.

«Roboter kaum zu schlagen»

Normalerweise orientiert sich der Arzt vor einer Biopsie ja mit einer Computertomographie-Aufnahme. Dank dieser manövriert er dann die Nadel an die richtige Stelle.
Dieses Manöver soll nun also der Roboterarm übernehmen, und zwar massiv besser: «Während wir Menschen uns mit dem Platzieren einer solchen Nadel schwer tun, sind Roboter mit entsprechender Intelligenz dabei kaum zu schlagen», sagt Andreas Rothfuss von der zuständigen Projektgruppe des Fraunhofer-Instituts. «Unser System nimmt dem Arzt die Schwierigkeiten ab, lässt ihm aber den Vorteil.»

«Maximal fünf Minuten»

Kurz: Der Roboter macht das, was er gut kann – er sucht den richtigen Weg und positioniert die Nadelführung so, dass weder Patient noch Arzt getroffen oder verletzt werden. Dann übernimmt der Arzt wieder und führt die Nadel ins Gewebe ein.
«Während ein Mensch 30 Minuten braucht, um die Nadel zu platzieren, vergehen mit Roboterassistenz maximal fünf Minuten», so Rothfuss.
Konkret heisst das: 
  • Zunächst erstellt der Arzt wie bisher eine CT-Aufnahme des Patienten. Allerdings hält der Roboterarm dabei ein Kalibrierungswerkzeug mit in das Bild. Dieses dient ihm zum Abgleich: Welche Position im Raum muss er einnehmen, um eine bestimmte Stelle im Bild anzufahren?
  • Dann analysiert eine Software das Bild und unterstützt den Arzt beim Platzieren der virtuellen Nadel. Die Software zeigt die Nadel im Bild an. 
  • Führt der Arzt eine Therapie statt einer Biopsie durch – soll die Nadel den Tumor also etwa durch Hitze zerstören – simuliert die Software, wie sich die Wärme im Gewebe ausbreitet. Anschließend muss geklärt werden, wie viele Nadeln an welchen Stellen nötig sind, um den gesamten Tumor abzutöten.
  • Ist diese Frage geklärt, wird das Kalibrierungstool am Roboterarm durch eine Nadelführung ersetzt. Mit dieser fährt der Roboter die errechnete Position an und setzt die Führung im passenden Winkel auf der Haut ab.
| Dossier: Zu den Unterlagen des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung | 
Der Roboter hantiert also keineswegs selbst mit der Nadel. Dies übernimmt zu jedem Zeitpunkt der Arzt: Er schiebt die Nadel durch deren Führung, die der Roboter an Ort und Stelle hält, Stück für Stück in das Gewebe.

Weniger Strahlenbelastung

Zur Kontrolle macht der Arzt wie gewohnt Röntgenbilder, während er die Nadel ins Gewebe schiebt. Der Roboter bietet allerdings auch hier Vorteile, erläutern die Fraunhofer-Techniker: Bisher musste der Arzt die Nadel festhalten, seine Hand verdeckte daher einen Teil der Aufnahme; zudem war die Hand bei jedem Kontrollbild den Röntgenstrahlen ausgesetzt.
Nun hält der Roboter die Nadel mit seiner Führung fest – ihm kann die Strahlung nichts anhaben. Auch für den Patienten ist die Strahlenbelastung deutlich geringer: Da der Arzt die Nadel durch die Führung schiebt, kann sie nicht verrutschen. Es sind daher deutlich weniger Kontrollaufnahmen nötig.
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