Wegen Corona weniger Geschlechtskrankheiten?

Die neusten Zahlen zeigen: Es gibt weniger Geschlechtskrankheiten und HIV-Infektionen. Ist der Lockdown dafür verantwortlich?

, 4. August 2020 um 14:12
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Die Zahlen, welche die Schweizer Ärzte dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) melden, sind eindeutig: Seit Jahresbeginn verzeichnen sie weniger HIV-Infektionen, weniger Syphilis, weniger Chlamydien und weniger Gonorrhoe - auch bekannt als «Tripper».
So diagnostizierten die Ärzte seit Anfang Jahr nur 155 statt wie in den beiden Vorjahren jeweils um die 240 HIV-Infektionen. Auch die diagnostizierten Syphilis-Zahlen sanken markant von rund 570 auf 378.
Bei der Interpretation lässt sich das BAG nicht auf die Äste hinaus. Sondern erklärt die grossen Unterschiede lediglich mit der Datenerhebung: «Die aktuelle Lage verändert das Verhalten von erkrankten Personen bezüglich Arztkonsultationen, was bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden muss.»
Bei allen meldepflichtigen Krankheiten seien die Daten daher «beschränkt aussagekräftig». Mit anderen Worten: Es könnte gut sein, dass nicht die Erkrankungen zurückgegangen sind, sondern dass die Betroffenen weniger häufig zum Arzt gegangen sind.
Dies betreffe besonders die Zahl der Grippefälle. Statt gut 13 000 Grippe-Meldungen wie in den beiden letzten Jahren gab es heuer seit Januar erst 11 000 Fälle.
Das BAG zieht in Betracht, dass weniger Grippekranke als üblich zum Arzt gegangen sind. Denn die Symptome einer Grippe gleichen jenen von Covid-19. Etliche Betroffene könnten deshalb auf Anweisung der Behörden oder ihres Arztes sicherheitshalber zuhause geblieben sein.
Allein auf die geringere Zahl der Arztbesuche lassen sich aber wohl kaum alle Zahlen zurückführen. Ein Beispiel: Dass in der Schweiz seit Jahresbeginn nur noch halb so viele Fälle von Malaria- und Dengue-Fieber diagnostiziert worden sind wie in den letzten beiden Jahren, ist plausibel: Wegen der Corona-Beschränkungen sind die Menschen seit März nicht mehr in tropische Länder gereist.
Ein anderes Beispiel zeigt ausserdem, dass die Menschen in gewissen Fällen mehr zum Arzt gegangen sind als in den Vorjahren. Statt der tropischen Mücken haben dieses Jahr nämlich die einheimischen Zecken zugeschlagen. Die gemeldeten Fälle von Zecken-Hirnhautentzündung haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.
Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass sich die Menschen während des Corona-Lockdowns mehr draussen in der freien Natur aufgehalten haben. Auch für die stark gesunkene Zahl der Diagnosen von sexuell übertragbaren Krankheiten gäbe es eine weitere einigermassen plausible Erklärung als bloss die vermiedenen Arztbesuche: Die Beschränkung spontaner Kontakte während des Lockdowns haben nicht nur die Übertragung des Corona-Virus, sondern auch die Übertragung weiterer Krankheitserreger gebremst.
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