Urteil mit Folgen: Mindestfallzahlen für Operateure sind rechtmässig

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Spital Bülach auf der ganzen Linie abblitzen lassen. So argumentierten die St. Galler Richter.

, 26. September 2018 um 21:45
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Der Entscheid des Zürcher Regierungsrat hatte im August 2016 weit über das zürcherische Spitalwesen hinaus für Aufsehen gesorgt. Die Regierung hatte entschieden, in sechs Leistungsgruppen Mindestfallzahlen für Operateure einzuführen. Ein bisher einmaliges Vorgehen. Das Hauptziel: Die Patientensicherheit verbessern. Als Regionalspital mit tendenziell tiefen Fallzahlen ist das Spital Bülach vom Entscheid überdurchschnittlich betroffen. Es erhob deshalb Einsprache. Und so wurde die Einsprache des kleinen Spitals plötzlich zum grossen juristischen Test für die Mindesfallzahlen für Operateur.  Nun liegt das Präjudiz vor.
Nachdem der Regierungsrat die Beschwerde abgewiesen hatte, gelangte das Spital Bülach ans Bundesverwaltungsgericht (BVG). Und erlitt dort nun eine vollkommene Niederlage, wie die Urteilsschrift zeigt, die Medinside  vorliegt. 
Weitgehende kantonale Kompetenzen
Die St. Galler Richter prüften, «ob die umstrittene Einführung von Mindestfallzahlen pro Operateurin oder Operateur auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruht». Das Verdikt ist eindeutig: Ja, das tut sie. Das Gericht stützt das Vorgehen der Zürcher Regierung in allen Belangen. So wies es die Beschwerde des Spitals Bülach ab, wonach solche Mindestfallzahlen gesetzlich unzulässig seien. «Eine Einschränkung, wonach Mindestfallzahlen pro Operateurin oder Operateur im Gegensatz zu Mindestfallzahlen pro Spital (…) , nicht zulässig wären», lasse sich nirgends ableiten.
Und wie der Zürcher Regierungsrat kommt auch das Gericht zum Schluss, «dass die Kantone im Rahmen der stationären Spitalplanung und der Festsetzung der Spitallisten gestützt auf die genannten Bestimmungen befugt sind, Vorgaben zu Qualität und zu Mindestfallzahlen zu machen». Ebenso, «die Voraussetzungen des von einem Spital zu stellenden ‹erforderlichen Fachpersonals› zu konkretisieren». Selbst wenn in der Folge kleinere Spitäler manche Eingriffe nicht mehr durchführen könnten oder es zu Angebotskonzentration kommen sollte, wäre dies laut dem BVG nicht «grundsätzlich» KVG-widrig.
Anpassungen auch ohne Neuausschreibung möglich
Das Spital Bülach hatte sich weitere daran gestört, dass die Änderungen ohne Neuausschreibungen der Leistungsaufträge erfolgt sei. Gemäss dem Gericht ist dies jedoch zulässig: «Die Einführung dieser Qualitätsanforderung setzt (…) nicht zwingend eine Neuausschreibung der Leistungsaufträge und Neuevaluation der Leistungserbringer voraus». Denn da die «Evaluation des Angebots der Leistungserbringer systembedingt nur retrospektiv» erfolgen könne, erscheine es «durchaus sachgerecht, die Mindestfallzahlen pro Operateurin oder Operateur bereits vor einer Neuevaluation des Angebots einzuführen.»
Da das Urteil nicht ans Bundesgericht weitergezogen werden kann, ist es endgültig. Klar ist auch: Der Entscheid aus St. Gallen wird die Schweizer Spitalwesen nachhaltig verändern.
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