Uni Bern belegt Zusammenhang zwischen Wohnort und Krebsrisko

Kinder, die in der Nähe von Autobahnen und Autostrassen wohnen, haben ein erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken. Dies haben Sozial- und Präventivmediziner der Universität Bern in einer Studie herausgefunden.

, 3. November 2015 um 13:04
image
  • forschung
  • studie
  • universität bern
  • krebs
  • prävention
Jährlich erkranken in der Schweiz über 200 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren an Krebs. Am häufigsten treten Leukämien und Hirntumore auf. Die Ursachen dieser Erkrankungen im jungen Alter sind weitgehend unbekannt. Neben einer genetischen Veranlagung wird auch der Einfluss von Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung diskutiert. 
Eine im «European Journal of Epidemiology» publizierte Studie der Forschergruppe um Ben Spycher und Claudia Kuehni vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern (ISPM) erhärtet die Vermutung, dass Verkehrsabgase das Leukämierisiko bei Kindern erhöhen. 

Distanz von unter 100 Metern

Die ISPM-Studie basiert auf einem Abgleich der Daten des Schweizer Kinderkrebsregisters (SKKR) und der Schweizerischen National Kohorte (SNC) über einen Zeitraum von 23 Jahren zwischen 1985 und 2008. Es wurde untersucht, ob Kinder, die sehr nahe an Autobahnen oder Autostrassen aufwuchsen, ein erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen. 
Für Leukämien wurde bei Kindern in der Distanzkategorie unter 100 Meter von der nächsten Autobahn oder Autostrasse ein um 47 bis 57 Prozent erhöhtes Risiko ermittelt im Vergleich zu Kindern, die mehr als einen halben Kilometer zur nächsten Autobahn oder Autostrasse wohnten. 

Benzol als mögliche Ursache

Bei einer Unterteilung nach Altersklassen zeigte sich, dass das Leukämierisiko vor allem bei Kindern im Alter bis zu vier Jahren stark erhöht ist. Bei anderen Krebsarten wie Hirntumore oder Lymphome fanden die Forscher keine klaren Hinweise auf ein erhöhtes Risiko. 
Die Tatsache, dass nur bei Leukämien ein erhöhtes Risiko gefunden wurde, könnte laut den Autoren auf Benzol als Ursache hinweisen. So ist bekannt, dass eine hohe Benzolbelastung am Arbeitsplatz bei Erwachsenen Leukämien auslösen kann.
Gemäss Kinderärztin Claudia Kuehni, Leiterin des Schweizer Kinderkrebsregisters, fanden sich in mehreren Studien aus anderen Ländern ebenfalls Hinweise für ein erhöhtes Krebsrisiko von Kindern, die nahe an stark befahrenen Strassen aufwuchsen. 
Ben D Spycher, Martin Feller, Martin Röösli, Roland A Ammann, Manuel Diezi, Matthias Egger, Claudia E Kuehni. Childhood cancer and residential exposure to highways: a nationwide cohort study. Eur J Epidemiol, doi: 10.1007/s10654-015-0091-9
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Unfaire Behandlung? Beim Herzstillstand spielt das Geschlecht eine Rolle

Eine grosse Schweizer Studie zeigt bedenkliche Unterschiede: Frauen kommen nach einem Herzstillstand seltener auf die Intensivstation, werden laxer behandelt und sterben eher als Männer.

image

Diese Studien könnten demnächst die Medizin verändern

Experten kürten für das Fachmagazin «Nature Medicine» jene klinischen Studien, die demnächst die Landschaft neu prägen könnten – darunter ein Projekt von Novartis.

image

Musik ist ein chirurgisches Hilfsmittel

Wer nach einer Operation Musik zu hören bekommt, benötigt weniger Schmerzmittel, hat weniger Ängste – und auch sonst bessere Werte. Am US-Chirurgenkongress wurden dazu vielversprechende Ergebnisse präsentiert.

image

BFS-Studie: Milliarden für Forschung und Entwicklung

2023 investierten Schweizer Privatunternehmen knapp 18 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung. Gesundheit bleibt der wichtigste Fokus.

image

Seltene Krankheiten: Mehr Zulassungen, aber wenig Zusatznutzen bei Orphan Drugs

Über die Hälfte der neuen Medikamente bieten keinen echten Fortschritt. Und kaum je schaffen sie neue Lösungen für seltene Erkrankungen ohne Behandlungsmöglichkeiten.

image

Forschung und Praxis: Synergien für die Zukunft

Dr. Patrascu erklärt im Interview die Verbindung von Forschung und Praxis an der UFL. Er beschreibt die Vorteile des berufsbegleitenden Doktoratsprogramms in Medizinischen Wissenschaften und zeigt, wie die UFL durch praxisnahe Forschung und individuelle Betreuung Karrierechancen fördert.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.