Strafuntersuchung gegen Hausarztpraxen-Gruppe MeinArzt

Gegen MeinArzt-Gründer Christian Neuschitzer läuft wegen Verdachts auf Vermögensdelikte eine Strafuntersuchung, wie Recherchen von Medinside zeigen. Nun bangen die Angestellten um ihre Löhne.

, 25. August 2020 um 11:18
image
  • praxis
  • mein arzt
  • hausärzte
  • christian neuschitzer
Für viele ältere Hausärztinnen und -ärzte schien es die langersehnte Rettung. Viele von ihnen sehen sich bei der Nachfolgeregelung mit grossen Problemen konfrontiert - ihre Praxen sind Ladenhüter. Da kam das Angebot der MeinArzt Schweiz GmbH wie gerufen. Diese bot an, die Praxis zu kaufen und als Tochtergesellschaften weiterzubetreiben.
Wie Recherchen von Medinside zeigen, war das Angebot von MeinArzt Schweiz GmbH ein faules. Gegen den Gründer Christian Neuschitzer läuft ein «Verfahren wegen des Verdachts auf Vermögensdelikte», wie die Zürcher Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigt. Weitere Angaben will die Staatsanwaltschaft «mit Rücksicht auf das laufende Verfahren vorläufig keine weiteren Angaben». Auch auf die Nachfragen, ob gegen weitere Beteiligte von MeinArzt Verfahren liefen will sich die Staatsanwaltschaft nicht äussern. Weder bestätigen noch dementieren will sie auch die Frage, ob gegen Neuschitzer eine Untersuchungshaft angeordnet worden ist.

MeinArzt ist nicht mehr erreichbar

Was sagen Neuschitzer, die MeinArzt Schweiz GmbH und dessen Geschäftsführer Maurizio Bondio dazu? Anruf auf den Firmennummern. Auf allen Nummern wird jeweils direkt auf eine Mailbox umgeleitet. Die Zentrale scheint nicht besetzt.
Anrufe in verschiedenen Hausarztpraxen der Gruppe. Die Ärzte geben sich häufig wortkarg, oder lassen ausrichten, dass sie sich nicht äussern wollen. Man habe sich vertraglich verpflichtet, grundsätzlich keine Auskunft zu geben, sagen manche. Eine Praxisassistentin sagt, man habe von den Problemen bei MeinArzt gehört, doch genaueres wisse man auch nicht. Und dann spricht ein Hausarzt doch. Er wirkt ziemlich verzweifelt. 

Entlassungen - und Angst um die Löhne

Auch er habe keine direkten Information bekommen. Das sei «nicht gut». Alles was er wisse, habe er von Angestellten aus der Zentrale in Opfikon erhalten, die ihn auf eigene Faust informiert hätten. Gemäss dem Arzt wurde das gesamte Personal am Hauptsitz vor wenigen Tagen entlassen. 
Was bedeutet das für seine Praxis, die er Neuschitzer verkauft hat, in der der Arzt aber noch immer tätig ist? Das ganze sei ein grosses Problem, sagt der Hausarzt. Alle Praxisangestellten seien direkt bei MeinArzt angestellt. Er befürchtet nun, dass keine Löhne mehr ausbezahlt werden. Trotzdem hat die Praxis weiterhin geöffnet. Neuschitzer schulde ihm auch noch Geld. Eine andere Ärztin sagt, dass man weiterhin für die Patientinnen und Patienten da sei und schaue wie es weitergehe.

Funkstille von MeinArzt

Bereits im Juni hatten sich Ärzte kritisch über Neuschitzer Geschäftspraktiken geäussert und vor einer Zusammenarbeit mit MeinArzt gewarnt. Sie warfen der Firma unter anderem vor falsche Versprechen gemacht zu haben, keine Praxisbewilligungen zu besitzen und eine schlechte Zahlungsmoral zu haben.Neuschitzer hatte damals alle Vorwürfe bestritten.
Zu den aktuellsten, bahnbrechenden Entwicklungen hat Medinside den CEO Maurizio Biondi und weitere Kaderangestellte auch per Mail um eine Stellungsnahme gebeten. Trotz Nachfrage blieben diese unbeantwortet. Es gilt weiterhin für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Brustkrebsscreening bald auch in Baselland

Während immer mehr Kantone Brustkrebsscreenings einführen, wird der Nutzen in Zürich hinterfragt.

image

In Bern steht die Selbstdispensation wieder zur Debatte

Der jahrelange Konflikt zwischen Apothekern und Ärzten könnte in eine neue Runde gehen: Eine kantonale Motion fordert, dass künftig alle Arztpraxen Medikamente verkaufen dürfen.

image

Zürcher Ärzte warnen: Notfall-Versorgung gefährdet

Die kantonale Ärztegesellschaft ruft die Versicherer auf, auf die Rückforderung von Notfall-Inkonvenienz-Pauschalen zu verzichten.

image

Behördenvorgaben: Ärzte beklagen überflüssigen Aufwand

Mehr Arbeitszeit für Dokumentation, weniger ärztliche Arbeitszeit bei den Patienten: Dieser Trend setzte sich auch im letzten Jahr fort.

image

Plädoyer für die Teilzeit-Krankschreibung

Es sei überholt, dass man nur ganz krank oder gar nicht krank sein kann, findet der oberste Arzt Deutschlands.

image

Ambulante Pauschalen: Chirurgen verlangen mehr Mitsprache

Die FMCH kritisiert, dass der Input der Spezialärzte in der OAAT zuwenig beachtet wurde. Und sie bietet an, bei der Überarbeitung der Pauschalen stärker mitzuwirken.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.