Spitäler wollen ihren Patienten keine Rechnungskopie schicken

Die Spitäler kümmerten sich bisher wenig um die Verordnung, dass sie den Versicherten eine Rechnungskopie geben müssen. Nun will sie der Bundesrat gesetzlich dazu verpflichten.

, 2. Oktober 2019 um 04:00
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«Der Leistungserbringer muss dem Schuldner eine detaillierte und verständliche Rechnung zustellen»: So steht es im Krankenversicherungsgesetz. Doch die Schweizer Spitäler ignorieren diese Vorgabe. In der Regel schicken sie ihre Rechnungen direkt an die Krankenkassen. Eine Rechnungskopie für Patienten gibt es nur, wenn diese das ausdrücklich wünschen.
Warum weigern sich die Spitäler, die Rechnungen automatisch auch an die Betroffenen selber weiterzuleiten? Weil es ökologischer und billiger sei, sagt Marcel Wyler, Sprecher des Berner Inselspitals, gegenüber Medinside.

Die Spitäler scheuen den Aufwand

So wie das Inselspital verweigern auch die meisten anderen Schweizer Spitäler die Umsetzung der Vorgaben im Krankenversicherungsgesetz. Rückendeckung haben sie bei diesem Vorgehen vom Spitalverbands Hplus.
Der Verband, welcher 218 Schweizer Spitäler vertritt, hat eine klare Haltung: «Der Versand von 130 Millionen Rechnungen auf Papier per Post würde nicht zu Einsparungen, sondern zu einem Kostenschub führen», erklären die HPlus-Verantwortlichen. Hplus will deshalb den Aufwand für die Spitäler möglichst tief halten. Der Verband zweifelt ausserdem daran, dass die Patienten die Rechnung verstehen würden. Denn die Rechnungen seien auf die Bedürfnisse der Krankenkassen ausgerichtet.

Oft müssen Krankenkassen die Rechnungskopie nachliefern

Doch für die Krankenversicherer ist es ein Ärgernis, dass sich die Spitäler nicht an die Vorgaben halten. «Wenn Versicherte von uns eine Leistungsabrechnung erhalten, ohne dass sie vorgängig eine Rechnungskopie des Spitals erhalten haben, wenden sie sich an uns», sagt Visana-Sprecher David Müller. «Wir schicken dem Versicherten dann die Rechnungskopie». Doch, so Müller, «Fakt bleibt, dass sich die Leistungserbringer zulasten der Versicherer entlasten – und dies illegal.»

«Wie die Behandlung abgelaufen ist, das wissen nur die Versicherten selber»

Könnten die Krankenversicherung sparen, wenn die Patienten ihre Spitalrechnungen genau prüfen würden? Da gehen die Meinungen auseinander. Die CSS-Sprecherin Christina Wettstein ist überzeugt, dass die Versicherten mit einer konsequenten Kontrolle der Rechnungen mithelfen könnten, Kosten zu sparen. «Wie die Behandlung genau abgelaufen ist, das wissen nur die Versicherten selber. Deshalb können auch nur sie gewisse Rechnungspunkte überprüfen.» Die CSS bietet ihren Versicherten deshalb auf ihrer Website sogar eine Anleitung, wie sie die Spitalrechnung überprüfen können.

Swica: Patienten können die administrativen Angaben kontrollieren

Auch Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig glaubt, dass Patienten zu hohe Rechnungen dank der Überprüfung der Rechnung beanstanden könnten. Allerdings schränkt sie ein: «Spitalrechnungen lassen sich nicht so einfach wie Arztrechnungen überprüfen.» Die behandelten Diagnosen und durchgeführten Prozeduren könnten Laien aus der Rechnung nicht wirklich herauslesen.Die Patienten könnten jedoch unter anderem die Eintritts- und die Austrittszeit, das Ein- und das Austrittsdatum sowie den Austrittsort überprüfen. Das könne Einfluss auf die Höhe der Rechnungssumme haben.

Patienten sollen wissen, wie teuer ihre Behandlung war

Hingegen sagt David Müller von der Visana: «In Einzelfällen kann es zu Rechnungskorrekturen und Einsparungen kommen. Aber mit relevanten Einsparungen, die Auswirkungen auf die Prämien haben würden, ist nicht zu rechnen.»
Trotzdem findet es Müller wichtig, dass die Patienten wissen, wieviel ihre Behandlung kostet. Er hofft, dass Patienten dann bei künftigen Behandlungen genauer hinschauen und systematisch eine Rechnungskopie verlangen würden.

In Deutschland erwies sich jede zweite überprüfte Spitalrechnung als falsch

Zumindest in Deutschland kommen falsche Spitalrechnungen sehr häufig vor: Die Hälfte der Rechnungen, welche die Krankenkassen geprüft habe, sei nicht korrekt, deckte vor vier Monaten die «Neue Osnabrücker Zeitung» auf. Die Spitäler hätten deshalb allein im Jahr 2017 umgerechnet über drei Milliarden Franken an die Kassen zurückzahlen müssen.
In der Schweiz haben die Krankenversicherungen derzeit keine Möglichkeit, die Spitäler dazu zu zwingen, den Patienten eine Rechnungskopie zu geben. Doch der Bundesrat will das ändern.

Bundesrat will Rechnungskopie obligatorisch machen

In ihrem ersten Paket mit neun Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen sieht die Regierung vor, dass die Spitäler neu auf Gesetzesstufe verpflichtet werden, der versicherten Person in jedem Fall eine Rechnungskopie zuzustellen. Die Rechnungskopie muss nicht zwingend per Post, sondern kann gemäss den Vorgaben des Bundesrats auch elektronisch übermittelt werden.
Die Regierung erhofft sich durch diese Vorgabe, dass die Patienten ihre Rechnungen überprüfen können und so deren Kostenbewusstsein gestärkt werde. Sollten sich die Spitäler auch nach der Einführung des Gesetzes nicht an die Regelung halten, könnten sie künftig mit Bussen bestraft werden.

HPlus will Rechnungen weiterhin nur auf Verlangen an die Patienten abgeben

HPlus wehrt sich jedoch weiterhin gegen eine automatische Weiterleitung der Rechnungen an die Patienten. Der Verband möchte, dass sich die Spitäler nur zu einer Rechnungskopie auf Verlangen verpflichten müssen, wie er in der Vernehmlassung zu den geplanten Massnahmen des Bundesrats schreibt. Konkret: Die Patienten sollen beim Eintritt ins Spital angeben, ob sie eine Rechnungskopie möchten und ob sie diese in ihrem Elektronischen Patientendossier hinterlegen lassen möchten.
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