So sollten Ärzte in der Schweiz Drogenschmuggler betreuen

Die Erwartung an die medizinische Betreuung von Personen mit mutmasslichem «Bodypacking» ist widersprüchlich. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) klärt jetzt auf.

, 13. Dezember 2018 um 13:51
image
Fallen den Strafverfolgungsbehörden verdächtige Personen auf, die Drogen in ihrem Körper transportieren, werden sie zur Abklärung des Verdachts in ein Spital gebracht. Dort erfolgt unter anderem eine radiologische Untersuchung.
Doch die involvierten Ärzte und weitere Gesundheitsfachpersonen befinden sich in einem Rollenkonflikt: Sie müssen sowohl den Verdacht abklären als auch die betroffenen Personen gesundheitlich überwachen. Die SAMW hat in Absprache mit der Konferenz Schweizerischer Gefängnisärzte (KSG) nun die notwendige Rollenklärung vorgenommen.

Neue Richtlinien  «Bodypacking»

Demnach müsse eine mutmassliche Bodypacking-Person über die gesundheitlichen Massnahmen aufgeklärt werden – und diesen auch zustimmen. Zudem könne nur ein Kaderarzt über die Expertenrolle entscheiden. Dabei gelten verschiedene anamnestische und therapeutische Grundsätze, die der SAMW in einem Merkblatt festhält.
  • Der SAMW empfiehlt die Verwendung von speziellen Bodypack-Toiletten, zum Beispiel WC Trieurs, wie sie die Universitätsspitäler Genf oder Bern oder das Polizeigefängnis in Zürich haben.
  • Bei der Verwendung von Laxativa ist Vorsicht geboten, weil das Risiko des Platzens der Bodypacks besteht.
  • Eine Durchführung einer radiologischen Untersuchung unter Narkose ist ohne Einwilligung der betroffenen Person unverhältnismässig und nicht zulässig.
  • Verweigert die betroffene Person eine radiologische Untersuchung zur Abklärung, muss das Ausstossen möglicher Bodypacks in einem medizinischen Umfeld kontinuierlich überwacht werden.
  • Mittel der Wahl ist das Computertomogramm (CT) low dose ohne Kontrastmittel.
  • Bei Frauen muss vor der Bildgebung ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Als Alternative steht ein Ultraschall des Abdomens zur Verfügung.
  • Bei einem undichten Bodypack (Ruptur) muss eine medizinische Überwachung im Spital sichergestellt werden, zum Beispiel werden alle zwei bis vier Stunden die Vitalparameter überprüft.
  • Zudem gibt die SAMW vor, welche Angaben die Anamnese zwingend enthalten müssen. Das Papier enthält auch die Vorgehensweise einer umfassenden klinischen Untersuchung.
  • Bei fehlender oder unvollständiger Ausstossung der Bodypacks sowie bei akuter Intoxikation ist eine chirurgische Intervention indiziert.

Kommission kritisierte Vorgehen

Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften reagiert mit den neuen Richtlinien wohl auf gewisse Vorfälle. Im Sommer sorgte ein Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung (NKVF) von Folter für Schlagzeilen: Walliser Grenzwächter haben «übermassig viele CT-Untersuchungen angeordnet», auch bei einer schwangeren Frau.
Im Zeitraum zwischen Anfang 2016 und Herbst 2017 ordneten die Grenzwächter bei über 220 mutmasslichen Bodypackern eine radiologische Untersuchung an. Gemäss den der NKVF vorliegenden Angaben soll die Erfolgsquote der vom Grenzwachtkorps angeordneten CT-Untersuchungen dabei «äusserst niedrig sein.»
  • Hier können Sie die gesamten SAMW-Richtlinien «Ausübung der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten Personen» Anhang H «Bodypack» herunterladen.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Auf dem richtigen Weg

Der Markt für Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) befindet sich in einer Phase tiefgreifender Transformation. Die aktuellen Trends und Herausforderungen der Branche sowie die Erwartungen der Kliniken beleuchtet Dirk Müller, Director Product Management CIS4U bei Dedalus HealthCare.

image

«Manche haben unrealistische Erwartungen an die Schweiz»

Die Schweiz erscheint für viele ausländische Ärzte als Traumland. Was es braucht, damit der Jobwechsel gelingt, erklären die Ärztevermittler Francesca und Jan Saner.

image

«Schauen Sie genau, wen Sie heiraten – das meine ich ernst.»

Seilschaften, starre Regeln und intransparente Gehälter bremsen Frauen auf dem Weg zur Chefarztposition. Rückhalt daheim ist entscheidend – und Teilzeit ist problematisch: Das sagt Susanne Renaud, Chefärztin Neurologie am Spital Neuenburg.

image

Sparprogramme reichen nicht: Das Spitaljahr im Check

Kooperationen, weniger Angebote, effizientere Abläufe, Schliessungen, Nullrunden bei den Löhnen: Die öffentlichen Akutspitäler haben viel getan, um die Finanznot zu bekämpfen. Fazit: So geht es trotzdem nicht weiter.

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.