Pflegefachkräfte sind Mangelware. Dies auch, weil sie nach der Ausbildung häufig nicht besonders lang in ihrem Beruf arbeiten. Doch genaue Zahlen dazu fehlen vielerorts. Der Kanton Bern wollte es genau wissen. Er gab bei der Universität Bern eine Studie in Auftrag, in deren Rahmen 1205 Personen befragt wurden. Diese liegt Medinside vor. Das Ergebnis überrascht positiv. Die durchschnittliche Berufsverweildauer beträgt 22 Jahren. Gemäss der Studienautorin Margret Nadenbousch liegt dieser Wert «deutlich höher» als bisher angenommen. Bisher ging man diesbezüglich von einem Wert von nur 15 Jahren aus.
Die grosse Mehrheit steigt zumindest zwischenzeitlich aus
Der Hauptfokus der vom Berner Bildungszentrum für Pflege unterstützten Studie lag auf Pflegefachpersonen, die kurz vor dem Ruhestand stehen oder bereits pensioniert sind. Mit dieser Personengruppe, die ihr Berufsleben fast oder ganz hinter sich hat, lässt sich die Verweildauer am besten bestimmen. Jüngere Studienteilnehmende wurden in die Kontrollgruppe eingeteilt.
Bei der Untersuchung zeigte sich, dass nur knapp jede vierte Person das ganze Berufsleben hindurch im Pflegefach arbeitete (23 Prozent). Derweil sind 37 Prozent der Befragten gänzlich aus dem Pflegeberuf ausgestiegen - wobei ein kleiner Prozentsatz davon aufgrund des Studiendesigns auf bereits erfolgte Pensionierung zurückzuführen ist. Noch etwas höher ist der Anteil der Personen (38 Prozent), die nach einer Pause wieder in den Pflegeberuf eingestiegen sind. 87 Prozent von ihnen gaben die «Familienphase» als Grund für den zwischenzeitlichen Unterbruch an.
Bei jenen Personen, die definitiv aus dem Beruf ausgestiegen sind, gaben zwei Drittel der Personen die «Familienphase» als Begründung an. In der - älteren - Fokusgruppe sagten derweil 70 Prozent, ihre Erwartungen bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei erfüllt worden. Es zeigte sich aber, dass die aus tendenziell jüngeren Personen bestehende Kontrollgruppe die Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familie häufiger als nicht erfüllt betrachten. Auch in den anderen Bereichen äusserten sich die jüngeren Studienteilnehmenden kritischer.
Grafik aus Zusammenfassung der Erhebung der Berufsverweildauer von dipl. Pflegefachpersonen im Kanton Bern und Analyse der relevanten Einflussfaktoren.
Massnahmen für höhere Verweildauer
Bei der aus älteren Personen bestehenden Fokusgruppe waren zwei Drittel mit dem Gehalt zufrieden -und mit den Arbeitszeiten 75 Prozent. Gleichwohl mahnt die Studienautorin an, flexiblere Arbeitsmodelle einzuführen. Ebenso wird angeregt, bei der Kinderbetreuung am Arbeitsplatz Verbesserungen vorzunehmen. Ebenso sollte in Kurse und Angebote für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger investiert wer zu erhöhen.
Letzteres sieht auch der Bundesrat so: Er hat 2016 ein Wiedereinstiegsprogramm lanciert. Denn auch wenn die Berufsverweildauer der Pflegefachkräfte überraschenderweise höher ist als bisher gedacht - sie ist noch immer vergleichsweise tief.