OTC-Schmerzmittel: Weshalb Mediziner ihre Patienten erziehen sollten

Patienten verschweigen häufig, dass sie sich selbst mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln behandeln. Eine neue Studie zeigt, womit die Ärzte rechnen müssen.

, 27. Januar 2016 um 07:00
image
  • praxis
  • medikamente
  • forschung
Kopfschmerzen, Schulterschmerzen, Rückenschmerzen: Viele Patienten bekämpfen ihre chronischen Schmerzen mit frei verkäuflichen Medikamenten wie Aspirin. Sie konsumieren diese auf eigene Faust, ohne dass sie ihnen von einem Arzt verschrieben worden wären. 
Dabei nehmen sie selbstverständlich an, dass sie wirksam und sicher sind – was sie im allgemeinen auch sind.
Trotzdem ist es ein Trugschluss, wie eine Studie der American Gastroenterological Association (AGA) zeigt. Denn die Mittel werden häufig unsachgemäss eingenommen. 

Keine Kenntnisse der Inhaltsstoffe

In der Studie wurden 1'015 erwachsene Personen und 251 Gastroenteorologen über den Gebrauch von frei verkäuflichen Arzneien befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten mit chronischen Schmerzen «die Mittel häufig ohne Kenntnisse der Inhaltsstoffe oder Risiken einnehmen», so Charles Melbern Wilcox, Professor an der University of Alabama in Birmingham. Die Studie nennt vier Probleme, auf die Ärzte gefasst sein müssen: 

Die gröbsten Fehler


  • Beipackzettel ignoriert: Zwei Drittel der Patienten geben zu, den Beipackzettel nicht vollständig zu lesen. 43 Prozent hielten die Informationen für allgemein und nahmen die Dosis zu sich, die sie für richtig hielten. Mehr als ein Viertel der Patienten erhöhte die vorgeschriebene Dosis, weil sie glaubte, die Mittel wirken dann schneller. 
  • Medikamenteneinnahme verschwiegen: Die meisten Patienten mit chronischen Schmerzen versuchen, diese selbst zu behandeln – ohne den Arzt zu informieren. Besonders ältere Patienten nehmen an, dass chronische Beschwerden zum Älterwerden gehören. Sie halten es darum nicht für nötig, den Arzt über die Selbstmedikation aufzuklären.  
  • Symptome einer Überdosis falsch einschätzen: Selbstmedikation mit hohen Dosen von Schmerzmitteln über eine längeren Zeitraum kann zu einer Überdosis mit entsprechenden Nebenwirkungen wie Magenschmerzen, Übelkeit und Durchfall führen. Die Studie zeigt, dass die Patienten die Symptome der Überdosierung gar nicht mit Einnahme der Schmerzmittel in Verbindung bringen. 
  • Verschiedene Arzneien mischen: 97 Prozent der Patienten, die frei verkäufliche Schmerzmittel konsumieren, nehmen auch Medikamente gegen verschiedenste andere Erkrankungen wie Allergien oder Erkältungen ein. Dies erhöht das Risiko von gegenteiligen Effekten. Auch die Einnahme von mehreren Produkten mit dem gleichen Wirkstoff hat mehr Nachteile als Vorteile, heisst es in der Studie. Das gleiche gilt für die Kombination von freiverkäuflichen und verschreibungspflichtigen Mitteln. 

Was tun? Informieren

Das Fazit der Studie ist gleichzeitig ein Appell an die Ärzte: «Wir müssen die Patienten erziehen». Die Mediziner sollen ihre Patienten auffordern, sich über die Medikamente zu informieren und die Beipackzettel aufmerksam zu lesen. Alle befragten Ärzte sind der Ansicht, dass mit einem sachgemässen Umgang Komplikationen und unnötige Hospitalisierungen vermieden werden können. 
(Bild: Paracetamol — Michelle Tribe, Wikimedia Commons)
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Heimarzt-Besuche: Krankenkassen kritisieren Weg- und Wechsel-Entschädigungen

Das SRF-Konsumentenmagazin «Kassensturz» prangert hohe Wegentschädigungen von Heimarztbesuchen an. Die betroffene Firma Emeda verteidigt ihr Abrechnungsmodell, hat aber Anpassungen vorgenommen.

image

Herzstiftung zeichnet Nachwuchsforscherinnen aus

Srividya Velagapudi und Vanessa Biemmi erhalten für ihre Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen den Albrecht von Haller Young Investigator Award.

image

Studie: Herzmedikament könnte Metastasen stoppen

Ein Forscherteam von ETH, USB, USZ und KSBL fand heraus, dass das etablierte Herzmedikament Digoxin bei Brustkrebs Metastasen verhindern könnte.

image

CHUV: Aus Spenderstuhl wird Medizin

Das Universitätsspital Lausanne ist das erste Schweizer Spital mit Swissmedic-Zulassung zur Herstellung eines Medikaments aus Fäkalbakterien.

image

Unfaire Behandlung? Beim Herzstillstand spielt das Geschlecht eine Rolle

Eine grosse Schweizer Studie zeigt bedenkliche Unterschiede: Frauen kommen nach einem Herzstillstand seltener auf die Intensivstation, werden laxer behandelt und sterben eher als Männer.

image

Diese Studien könnten demnächst die Medizin verändern

Experten kürten für das Fachmagazin «Nature Medicine» jene klinischen Studien, die demnächst die Landschaft neu prägen könnten – darunter ein Projekt von Novartis.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.