Schmerz, lass' nach: Fremdes Pflegepersonal lindert Schmerzen effektiver

Patienten, die von einer Person aus einem anderen Kulturkreis behandelt werden, haben weniger Schmerzen. Zu diesem überraschenden Befund kommen Wissenschaftler der Universität Zürich in einer Studie.

, 26. September 2018 um 09:18
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Im Schweizer Gesundheitswesen stammt ein immer grösser werdender Teil der Pflegekräfte und Ärzte aus anderen Kulturen. Dies wirft die Frage auf, wie Patienten auf die unterschiedlichen Nationalitäten - auf die Fremden - reagieren. Eine im Fachjournal «Proceedings of the Royal Society B» veröffentlichte Studie der Universität Zürich liefert nun eine überraschende Antwort. 
Das Forscherteam hat untersucht, wie einer der wichtigsten sozialen Faktoren - die Gruppenzugehörigkeit - das Schmerzempfinden verändert. Soziale Faktoren spielen generell eine wichtige Rolle, wie Menschen Schmerzen empfinden. 
Das Ergebnis überrascht: Wenn die Studienteilnehmer von einer Person Hilfe bekamen, die ihnen fremd war, empfanden sie den Schmerz deutlich geringer als die Teilnehmer, die Schmerzlinderung von einer Person aus der gleichen sozialen Gruppe bekamen.
Grit Hein, Jan B. Engelmann, Philippe N. Tobler: «Pain relief provided by an outgroup member enhances analgesia» - in: «Proceedings of the Royal Society of London B: Biological Sciences», 26. September 2018
Die Forscher haben an 40 Schweizer Männern einerseits die subjektiven Schmerzurteile und anderseits die Gehirnaktivierungen in bestimmten Arealen vor und nach einer Schmerzbehandlung gemessen. Dafür erhielten die Probanden Stromschläge am Handrücken. 
Um den Effekt der Gruppenzugehörigkeit auf das Schmerzempfinden zu untersuchen, wurden die Männer in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe wurde von Personen behandelt, die derselben Nationalität wie die Probanden angehörten. Die andere Gruppe wurde von Personen einer anderen Nationalität behandelt, die sie als fremd einschätzten: Sie stammten aus einem der Balkanländer. 

Überraschung lindert Schmerzen

Während die Schmerzantworten vor der Behandlung in beiden Gruppen ähnlich stark waren, hatten nach der Behandlung die Teilnehmer, die von Fremden behandelt wurden, deutlich weniger Schmerzen. Dieser Befund war nicht nur subjektiv, er liess sich auch in der Hirnaktivierung messen. 
Die Wissenschaftler führen das Ergebnis auf einen aus der Lerntheorie bekannten Überraschungseffekt zurück: «Die Probanden, die schmerzlindernde Massnahmen von einem Fremden erhielten, hatten nicht damit gerechnet, dass sie von diesem tatsächlich effektive Hilfe bekommen würden», erklärt Neurowissenschaftler Philippe Tobler. Je geringer die Erwartungen waren, desto grösser war ihre Überraschung, als der Schmerz tatsächlich nachliess - und umso stärker war die Reduktion ihrer Schmerzreaktionen. 
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