Santésuisse-Kassen: Gnadenlos zu Schwangeren, die abbrechen

Eine Schwangere hätte ihr nicht überlebensfähiges Kind bis zu dessen Tod austragen müssen. Weil sie vorher abtrieb, verlangte die Krankenkasse von der Frau einen Selbstbehalt von 1700 Franken.

, 22. Mai 2019 um 07:14
image
  • versicherer
  • santesuisse
  • curafutura
  • spital
Als der Gynäkologe bei der Dreimonats-Kontrolle einer schwangeren Patientin feststellte, dass sich um den Fötus viel Wasser gebildet hatte, ordnete er eine Untersuchung an. Diese zeigte: Das Ungeborene hatte Trisomie 18, einen schweren Gendefekt. Viele Ungeborene sterben noch im Bauch der Mutter daran, die anderen überleben höchstens ein paar Wochen.
Die Schwangere entschied sich dazu, die Schwangerschaft in der 14. Woche zu unterbrechen. Nach dem ohnehin schweren Schicksalsschlag erhielt sie von ihrer Krankenkasse Swica eine hohe Rechnung, wie die Sendung «Kassensturz» aufdeckte. Weil sie eine hohe Franchise hatte, musste die Frau 1700 Franken Selbstbehalt zahlen.

«Der Abbruch war ja freiwillig»

Die Begründung der Kasse: Der Abbruch sei ja freiwillig gewesen. Im Klartext: Die werdende Mutter hätte abwarten müssen, bis ihr Kind in ihrem Bauch gestorben wäre. Dann hätte die Krankenkasse die ganze medizinische Versorgung ohne Selbstbehalt übernommen.
Anita Rauch, Direktorin des Instituts für Medizinische Genetik der Universität Zürich, fand in der Sendung deutliche Worte für diese Haltung: «Für eine Frau wäre es eine fast unmenschliche Zumutung, jeden Tag abzuwarten, bis das Kind stirbt.»

BAG verlangt von Kassen, dass sie zahlen

Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht vor, dass Frauen in einem solchen Fall ihre Schwangerschaft abbrechen dürfen und nicht den Tod des Kindes abwarten müssen, um von der Zahlung des Selbstbehalts befreit zu werden.
In einem Informationsschreiben an die Krankenkassen schreibt das BAG explizit: «Leistungen im Zusammenhang mit einem medizinisch-indizierten Schwangerschaftsabbruch, der ab der 13. Schwangerschaftswoche durchgeführt wird, sind von der Kostenbeteiligung befreit.»

Santésuisse verlangt Selbstsbehalt, Curafutura verzichtet

Trotzdem beharrt die Swica auf ihrer Haltung: Schwangerschaftsabbrüche seien freiwillig. Deshalb müsse die Versicherte eine Kostenbeteiligung zahlen. Die gleiche Haltung vertreten laut «Kassensturz» alle Kassen des Verbands «Santésuisse», darunter auch die Visana-Kassen, Assura und Groupe Mutuel.
Hingegen halten sich die Kassen des anderen Verbands, Curafutura, dem unter anderem die CSS, Helsana, Sanitas und KPT angeschlossen sind, an die Vorgaben des BAG. Sie zahlen bei medizinisch-indizierten Abbrüchen nach der 13. Woche die gesamten Kosten und verlangen keinen Selbstbehalt von der betroffenen Mutter.

Nun soll ein Gesetz die Krankenkassen verpflichten

Dass Frauen je nach Krankenkasse ungleich behandelt werden, soll nun aber ein Ende haben. Laut «Kassensturz» soll dem Parlament ein Gesetz vorgelegt werden, dass den Krankenkassen präzise Vorschriften zur Kostenübernahme macht.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Pharmagelder 2024: Zuwendungen an Schweizer Ärzte steigen leicht

2024 erhielten Ärzte, Spitäler und Fachgesellschaften zusammen 262 Millionen Franken – 16 Millionen mehr als im Jahr davor.

image

Swica zahlt wieder für Genfer Privatkliniken

Die anderen grossen Kassen haben sich bereits mit den Spitälern geeinigt. Nun hat auch die Swica wieder einen Vertrag für ihre Privat- und Halbprivatpatienten in drei Genfer Kliniken.

image

Auf dem richtigen Weg

Der Markt für Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) befindet sich in einer Phase tiefgreifender Transformation. Die aktuellen Trends und Herausforderungen der Branche sowie die Erwartungen der Kliniken beleuchtet Dirk Müller, Director Product Management CIS4U bei Dedalus HealthCare.

image

Viva Health: Von der Ausnahme zur Regel

Letztes Jahr konnte das neuartige Grundversicherungs-Angebot im Jurabogen die Prämien stabil halten – es war ein spannender Spezialfall. Und jetzt?

image

Assura reagiert auf gefährdete Screening-Programme

Assura lanciert ein Grundversicherungsmodell für Frauen, das gynäkologische Vorsorge sowie Brustkrebs-Screenings franchisefrei abdeckt.

image

CSS Gruppe: Nachfolge von Philomena Colatrella geklärt

Mirjam Bamberger heisst die neue CEO der CSS. Sie kommt von der AXA-Gruppe.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.