Psychotherapeutinnen wehren sich gegen Unterstellungen

Yvik Adler, Co-Präsidentin der Föderation der Psychologinnen und Psychologen, wehrt sich gegen die Unterstellung, aus standespolitischen Gründen zu dramatisieren.

, 14. Mai 2021 um 13:54
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  • psychiatrie
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«Zwei Drittel der befragten Psychotherapeutinnen berichten, dass sie regelmässig neue Patienten ablehnen müssten, da sie keine Kapazität mehr hätten.» Das schrieb die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) am 4. März 2021. Die Berufsverbände wollten damit auf Versorgungslücken hinweisen, die bereits vor der Pandemie existiert hätten und nun geschlossen werden müssten. 
Und weiter schreibt die NZZ: «Sie werben gleichzeitig für ihr politisches Projekt, das Anordnungsmodell.» Denn 80 Prozent der selbständig erwerbenden Psychotherapeuten gäben an, dass bei ihnen Menschen in psychischer Not aus finanziellen Gründen auf eine Therapie verzichteten. Gerade in ländlichen Regionen und im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei die Situation angespannt.
Liest man hier zwischen den Zeilen, dass die Psychotherapeutinnen aus standespolitischen Gründen dramatisiert haben? 

Jetzt redet Yvik Adler

«Das weise ich klar zurück und entspricht auch in keiner Weise dem, was ich und viele Kolleginnen und Kollegen in ambulanten Praxen täglich erfahren, nämlich eine grosse Versorgungsnot und enorm viele Anfragen von Menschen in psychischer Not».
Dies sagt Yvik Adler, Co-Präsidentin der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). «Eine Umfrage bei unseren Mitgliedern zeigte klar, dass die Nachfrage nach psychologischer Unterstützung schon vor der zweiten Welle der Pandemie gestiegen war und durch den Winter noch einmal angestiegen ist.»

40 Prozent verzeichnen eine Steigerung der Nachfrage

Jacqueline Frossard ist Vorstandsmitglied der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). Sie verweist auf eine Mitgliederbefragung durch die SGPP: 40 Prozent der antwortenden Psychiaterinnen und Psychiater berichten von einer Steigerung der Anzahl Behandlungen um durchschnittlich 19 Prozent, während 48 Prozent eine gleichbleibende Anzahl Behandlungen verzeichneten und nur 12 Prozent weniger Behandlungen durchführten als 2019. Ein ähnliches Bild gebe es bei den Wartefristen.
Fulvia Rota, die neue Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP), sagt aber im zitierten NZZ-Artikel, die Situation sei nicht so dramatisch, wie sie immer wieder dargestellt würde. Viele Psychiaterinnen und Psychiater hätten ihren Arbeitseinsatz erhöht. Damit könne die gestiegene Nachfrage grösstenteils aufgefangen werden. Und diese Woche bekräftigte Fulvia Rota in einem Interview mit dem Migros-Magazin: «Wer in der Schweiz einen Therapieplatz sucht, der findet in der Regel einen.» 

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