Die Probleme im Pflegbereich bestehen im Wesentlichen in den teilweise grossen Unterbeständen infolge zu wenig Nachwuchs. Dazu kommen zu wenig attraktive Löhne. Wenn die Initiative angenommen wird, haben die Pflegenden zwar einen Artikel in der Bundesverfassung. Das bedeutet aber noch lange keine konkrete Verbesserung, denn Lohnfragen werden nicht auf Bundesebene geregelt.
Der rasch umsetzbare Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament würde eine Ausbildungsoffensive finanzieren – also eine wesentliche Forderung der Initiative sofort implementieren. Die Initianten haben sich aber dem guteidgenössischen Kompromiss verweigert und halten an ihrer unrealistischen Initiative fest. Ihre Annahme an der Urne würde bis zu drei weitere Jahre an politischen Diskussionen um Lösungen verursachen. Sie ist zudem nicht umsetzbar. Wo liegt das Problem?
Die von der Initiative verlangten Massnahmen zwischen den Sozialpartnern zu Gunsten der Pflege können weder vom Bund verordnet werden, noch haben die Arbeitgeber die dazu notwendigen finanziellen Handlungsspielräume. Entscheidend wäre, dass die Arbeitgeber (sprich: Heime und Spitäler) finanziell in der Lage wären, die Pflege besser zu stellen. Hier kommen die Kantone als Tarifgenehmiger ins Spiel: Solange die OKP-Tarife nicht kostendeckend sind, bleiben attraktivere Lohnmodelle in den Spitälern und Heimen illusorisch. Zudem erhöhen Preisüberwacher und FINMA gerade den Druck auf die Zusatzversicherungstarife, Einnahmen also, die den Spitälern etwas Luft im Bestreben nach ausreichend Erträgen verschaffen.
Gerade diejenigen politischen Kräfte, die mit Unterstützung der Initiative mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen fordern, verweigern sich den Bestrebungen, bei der Kostenunterdeckung der Tarife Korrekturen anzubringen. Die fehlende Kostendeckung wird zwar eingestanden und der dadurch ausgelöste Druck auf das Personal beklagt. Aber im Sinne einer Verbesserung politisch handeln will man dann doch nicht.
Im Pflegebereich findet somit einmal mehr eine Stellvertreterdiskussion statt, die das Problem nicht annähernd löst. Wer für die Pflege klatscht, müsste konsequenterweise auch bereit sein, höhere Prämien und mehr Steuern zu bezahlen, um die höheren Tarife und Fallkostenpauschalen zu finanzieren. Nur so können die Leistungserbringer attraktivere und konkurrenzfähigere Löhne zahlen.
Aktuellen Umfragen zu Folge will eine grosse Mehrheit der Bevölkerung am 28.11. der Pflegeinitiative zustimmen, wie sie schon der Komplementärmedizin und auch der Hausarztmedizin zugestimmt hat. Nur löst das, wie beschrieben, den Missstand Pflegemangel nicht: Denn mit dem Schutz von Berufsgruppen in der Verfassung lösen wir keine Probleme im Gesundheitswesen.