Neues Assura-Modell erlaubt nur noch ausgewählte Spezialärzte

Seit gestern bietet die Assura ein neues Versicherungsmodell an. Die Ärzte sind nicht erfreut darüber.

, 21. Oktober 2020 um 07:32
image
  • versicherer
  • ärzte
  • assura
  • betterdoc
  • krankenkassenprämien
So funktionierte bisher noch keine Krankenkasse in der Schweiz: Patienten, die zu einem Herzspezialisten, Orthopäden, Urologen oder Gastroenterlogen wollen, müssen sich an den Beratungsdienst Betterdoc wenden und dann einen von drei vorgeschlagenen Ärzten auswählen.

FMH und Medix kritisierten das Modell

Als «schnellen Zugang zum richtigen Spezialisten» bewirbt Assura das neue Modell. Und: «Anstelle einer einzigen Empfehlung durch den Hausarzt, erhält der Patient drei Empfehlungen.»
Die Schweizer Ärzteverbindung FMH hingegen war nicht erfreut, als sie davon erfuhr. Sie befürchtete, dass Hausärzte zu Überweisungen gezwungen würden. Im September kritisierte auch Medix, eines der grössten Netzwerke von Gruppenpraxen und Hausärzten mit 700 Mitgliedern das neue Modell heftig.

«Bizarr» und «bevormundend»?

Es sei ein «bizarres Versicherungsprodukt», sagte Medix-Präsident Felix Huber: «Eine Beleidigung und Bevormundung für die Hausärzte». Versicherungen hätten bei medizinischen Entscheidungen nichts zu suchen und könnten auch nicht bestimmen, welche Spezialistinnen zu wählen seien.
Doch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte am neuen Modell nichts auszusetzen und bewilligte es. Denn es sind nicht die Hausärzte, die in der freien Wahl eines Spezialisten eingeschränkt sind. Sondern die Patienten. Und diese schränken sich freiwillig auf die drei Vorschläge des Beratungsdienstes Betterdoc ein, indem sie dieses Versicherungsmodell wählen.

In Zürich 60 Franken Sparpotenzial pro Monat

Wie bis anhin stellen die Hausärzte auch diesen Patienten bei Bedarf einen Überweisungsschein an einen Spezialisten aus. Neu ist nur, dass sich Patienten mit diesem Versicherungsmodell anschliessend an Betterdoc wenden und sich von diesem Unternehmen statt wie bisher vom Hausarzt einen Spezialisten empfehlen lassen.
Für die Versicherten birgt das Modell beträchtliches Sparpotenzial: Die Versicherten in Zürich beispielsweise können mit diesem Modell – die Assura nennt es «Qualimed» - gegenüber dem Standardmodell 60 Franken Prämien pro Monat sparen. Weniger gross ist der Unterschied zu den bisherigen Sparmodellen der Assura. Dort beträgt die Ersparnis nur vier bis zwölf Franken.

2019 bereits Test mit Betterdoc

2021 bietet Assura das Grundversicherungsmodell Qualimed vorerst in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt und Basel-Land, Luzern, St. Gallen, Solothurn, Schwyz, Zug und Zürich an. Weitere Kantone könnten 2022 dazukommen, wie Assura-Sprecherin Irène Stephan gegenüber Medinside sagte.
Assura hat letztes Jahr bei einem Teil ihrer Versicherten bereits Tests mit der Firma Betterdoc gemacht. Sie bot bei anstehenden Operationen gratis Zweitmeinungen von der Firma an. Medinside berichtete hier darüber.

Betterdoc gründet Sitz in Basel

«Wir möchten herausfinden, wie nützlich eine solche Beratung für unsere Kunden ist und ob sich damit Behandlungskosten sparen lassen», sagte damals die Assura-Sprecherin Karin Devalte gegenüber Medinside.
Betterdoc war bisher nur in Deutschland tätig, wird künftig aber auch einen Sitz in Basel haben. Für die Empfehlung von drei Spezialisten stützen sich die von Betterdoc angestellten Fachleute auf das medizinische Dossier des Hausarztes, ein Gespräch mit dem Patienten und auf Daten, welche Betterdoc gesammelt hat.

Daten von fast 3000 Schweizer Ärzten

Diese Daten basieren gemäss Assura auf einer Auswertung von Qualifikationen, Ergebnissen und Patientenzufriedenheit von 420 Gastroenterologen, 830 Kardiologen, 1190 chirurgischen Orthopäden und 370 Urologen, die in der Schweiz praktizieren.
Bei anderen Spezialisten macht auch im neuen Versicherungsmodell weiterhin der Hausarzt eine Empfehlung für den Patienten.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Peter Indra geht zur Sanitas

Der Arzt und ehemalige Chef des Zürcher Amts für Gesundheit soll beim Krankenversicherer die Grundversorgung gezielt weiterentwickeln.

image

In Genf und Waadt geht es um die «Geiselnahme» der Zusatzversicherten

Der Konflikt zwischen Ärzten und Versicherern über die Kostenübernahme für Halbprivat- und Privatpatienten schwelt weiter: Die Waadtländer Ärztegesellschaft wendet sich an die Finma, während Genf ein Ultimatum stellt.

image

CSS fahndet nach Missbrauch und spart damit 38 Millionen Franken

Die CSS fällt immer wieder auf, wenn es um die Aufdeckung von Betrugsversuchen bei Krankenversicherungen geht.

image

Verzögerte Kostengutsprachen und ihre Folgekosten

Eine Studie zeigt, wie die Krankenkassen die Gesuche für eine Brustverkleinerung bearbeiten. Fast die Hälfte der Patientinnen musste mehrere Anträge stellen – mit Zusatzkosten von durchschnittlich 2400 Franken.

image

Ehemaliger Sympany-CEO an der Spitze von Eskamed

Michael Willer hat die Leitung von Eskamed übernommen. Das Basler Unternehmen hat sich auf die Qualitätssicherung in der Komplementär- und Präventivmedizin spezialisiert.

image
Gastbeitrag von Guido Schommer

Aufsichts-Populismus: Wer schützt die Versicherten vor der Finma?

Die Aufsichtsbehörde will den Zusatzversicherungsmarkt noch mehr regulieren. Den Versicherten hilft das nicht, im Gegenteil: Spitäler geraten unter Druck, die Spitalwahl wird eingeschränkt, die Versorgung leidet.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.

image

«Hausarzt ist kein Beruf, den man subventionieren muss»

Ein Arzt macht vor, wie eine Berggemeinde zu medizinischer Versorgung kommt. Und er kritisiert Kollegen, die einfach ihre Praxis schliessen.