MS-Gesellschaft: Forschungsgelder an eigene Beiräte

Das Magazin «Saldo» fragt: Darf man das? Die MS-Gesellschaft sagt: Man darf.

, 13. Oktober 2016 um 07:09
image
  • forschung
  • politik
  • medikamente
Eine verdächtige Häufung stellt das Konsumentenmagazin «Saldo» (nur Print) bei der Schweizerischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft fest. Wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist, unterstützte der Verein im letzten Jahr Forschungsprojekte zur MS mit 2,9 Millionen Franken.
Davon ging ein Löwenanteil an Forscherinnen und Forscher, welche wiederum im Beirat derselben Multiple-Sklerose-Gesellschaft sitzen.
Konkret genannte Beispiele:
  • Der Neuroimmunologe Patrice Lalive erhielt 369'000 Franken; Lalive ist hauptamtlich am Genfer Unispital HUG tätig und amtiert zudem als Vizepräsident des MSG-Beirats
  • Der UZH-Immunologe Burkhard Becher, Beirats-Mitglied seit 2013, wurde mit 420’000 Franken unterstützt.
  • Britta Engelhardt, Immunobiologin am Theodor-Kocher-Institut der Universität Bern, erhielt für insgesamt acht Projekte Gelder im Umfang von 420'000 Franken. Engelhardt amtiert seit 2006 im Beirat und ist auch dessen Präsidentin.
Gegenüber «Saldo» verneint die MS-Gesellschaft allerdings, dass ein Interessenkonflikt vorliege: Das Reglement schreibe vor, dass die Beiräte in den Ausstand treten, wenn ihre Projekte verhandelt werden. Und tatsächlich hätten Engelhardt, Lalive und Becher das Sitzungszimmer verlassen, als ihre Projekte besprochen wurden.

Das helvetische Dilemma

«Saldo» thematisiert also ein häufiges Dilemma in einem kleinen Land wie der Schweiz: :Kompetente Forscher sollen mitreden bei der Vergabe – kompetente Forscher sind unterstützungswürdig. Natürlich darf man sich fragen, ob die verbleibenden Beiräte im Sitzungszimmer dann beim Vergabeentscheid neutral genug sind. Die andere Frage wäre, wie man in einem kleinen Land einen Beirat mit guten Experten besetzt, welche nicht zugleich förderungswürdige Forschungsprojekte am Laufen haben. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Versorgungssicherheit: Bundesrat kommt mit Gegenvorschlag

Die Volksinitiative zur medizinischen Versorgungssicherheit stösst in Bern auf Verständnis – aber nicht auf Zustimmung. Die Landesregierung präsentiert eine enger gefasste Alternative für mehr Arzneimittelsicherheit.

image

Bundesrat soll Bericht über Gewalt gegen Gesundheitspersonal liefern

SP-Nationalrätin Farah Rumy will Vorfälle systematisch erfassen lassen, damit das Personal besser geschützt werden kann.

image

SAMW: Neue Mitglieder für den Senat

Der Senat der Akademie der Medizinischen Wissenschaften hat neun Personen aufgenommen – darunter acht Frauen. Ein starkes Signal für die Sichtbarkeit von Forscherinnen und Förderinnen der Medizin.

image

Tessin: Volk gegen mehr Vorschriften im Gesundheitswesen

Mit 55 Prozent Nein-Stimmen hat die Tessiner Bevölkerung eine Initiative zur Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen und Standards im Gesundheitsbereich abgelehnt.

image

Komplementärmedizin: Es bleibt, wie es ist

Der Ständerat versenkte einen Vorstoss, der Homöopathie, TCM, Phytotherapie oder Akupunktur ein bisschen aus der Grundversicherung entfernen wollte.

image

Medtech: «Zu viel Regulierung killt Innovation»

Swiss-Medtech-Direktor Adrian Hunn spricht im Interview über US-Strafzölle, EU-Hürden und Reformbedarf im Zulassungssystem.

Vom gleichen Autor

image

Spital heilt, Oper glänzt – und beide kosten

Wir vergleichen das Kispi Zürich mit dem Opernhaus Zürich. Geht das? Durchaus. Denn beide haben dieselbe Aufgabe: zu funktionieren, wo Wirtschaftlichkeit an Grenzen stösst.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.