Wenn Ärztinnen und Ärzte von ihren Erschöpfungszuständen berichten, tönt das etwa so: «Zu Hause ist es genauso stressig und chaotisch wie bei der Arbeit. Ich kann mich nie entspannen.» Oder so: «Ich verbringe kaum genug Zeit mit den Patienten, ich renne von einem zum nächsten, und nach der Arbeit verbringe ich Stunden mit administrativen Aufgaben. Ich fühle mich wie ein überbezahlter Bürogummi.»
Solche Sätze stehen im «Physician Burnout & Depression Report 2022». Der Bericht aus den USA wird jeweils auf der Online-Plattform «Medscape» veröffentlicht. Rund 13’000 Ärzte aus 29 Fachgebieten nahmen dieses Mal an der Umfrage teil.
Erschöpfungsrate bei Notärzten besonders hoch
47 Prozent der befragten Ärzte gaben an, ausgebrannt zu sein. Im vergangenen Jahr waren es noch 42 Prozent. Damals waren Burnouts vor allem in den Fachgebieten Intensivpflege (51 Prozent), Rheumatolgie (50 Prozent), Infektiologie (49 Prozent) und Urologie (49 Prozent) weit verbreitet. Dem aktuellen Bericht zufolge ist die psychische und physische Belastung insbesondere bei Notärzten stark angestiegen – von 43 Prozent im vergangenen Jahr auf 60 Prozent in diesem Jahr.
Ambulanzen und Spitäler hätten einen grossen Anstieg erschöpfter Ärzte verzeichnet, schreibt «Medscape». So haben im Bericht 2021 46 Prozent der in Ambulanzen tätigen Ärzte und 40 Prozent der in Spitälern tätigen Ärzte angegeben, ausgebrannt zu sein (Bericht 2022: 58 Prozent bzw. 48 Prozent).
Zu viel Bürokratie – die Hauptursache für Burnouts?
Gemäss der aktuellen Umfrage haben Erschöpfungszustände bei beiden Geschlechtern zugenommen – Ärztinnen berichteten jedoch häufiger von Burnout-Gefühlen. Mehr als zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, dass zu viel Stress ihre Beziehung beeinträchtigen würde.
Als Hauptursache für ihre Erschöpfungszustände nannte die Mehrheit der Ärzte den bürokratischen Aufwand – das war auch in den Jahren zuvor so. Ebenfalls genannt wurde der mangelnde Respekt seitens des Arbeitgebers, der Mitarbeiter etc. und die langen Arbeitszeiten. Viele der Befragten sind denn auch der Meinung, dass flexiblere Arbeitszeiten, mehr Lohn um finanziellen Stress zu vermeiden sowie mehr Respekt von den Arbeitgebern etc. am meisten helfen würden, damit das Stresslevel gesenkt werden könne.
So gehen Ärzte mit Stress im Arbeitsalltag um
Gemäss der Umfrage ist Sport die am meisten bevorzugte Methode, um Stress zu minimieren. 29 Prozent der Befragten gaben an, am Arbeitsort an Meditationen oder anderen Techniken zum Abbau von Stress teilgenommen zu haben. Ebenfalls 29 Prozent haben ihre Arbeitszeiten reduziert. Ein Viertel der Ärzte gab jedoch an, nichts unternommen zu haben und so weiter zu machen wie bis anhin.
Emotionale Belastungen werden lieber verschwiegen
Jeder Fünfte der befragten Ärzte machte die Angabe, depressiv zu sein – rund 5 Prozent gaben sogar an, klinisch depressiv zu sein. Gut die Hälfte der Teilnehmer glaubt, mit emotionalen Belastungen alleine umgehen zu können – viele verschweigen diese vor dem Arbeitgeber.