Medikamentenpreise: Helsana prüft Klage gegen BAG

Wegen der passiven Behörden hätten die Prämienzahler in den letzten Jahren 2 Milliarden Franken zu viel bezahlt.

, 27. November 2017 um 14:57
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Die Krankenversicherung Helsana will juristisch gegen das Bundesamt für Gesundheit vorgehen. Der Streit dreht sich um die Medikamentenpreise – respektive um das Zögern des BAG bei deren Anpassung.
Das Amt gehe mit der Pharmaindustrie viel zu lasch um, sagte Guido Klaus, Leiter Politik und Ökonomie, gegenüber der «Aargauer Zeitung», und es lege die Medikamentenpreise sehr grosszügig zugunsten der Hersteller fest. «Leider fehlt uns die Transparenz, um die Preisfestsetzung des BAG nachvollziehen zu können.»
Welcher Art die Klage genau sein soll, erscheint noch offen. Helsana-Sprecherin Dragana Glavic bestätigt die Absicht, ohne aber konkretere Pläne zu verraten: Man wolle sich noch nicht in die Karten blicken lassen. 

Verzögerung nach der Verzögerung

Denn offen ist, auf welcher rechtlichen Grundlage der Versicherer überhaupt klageberechtigt wäre. Das Gesetz sieht nicht vor, dass Kassen gegen die Preisfestsetzung von Medikamenten vorgehen können – dies sei auch vom Bundesgericht vor rund einem Jahr bestätigt worden, sagte BAG-Sprecher Andrea Arcidiacono in der AZ. Jedenfalls sei es auch das Anliegen des BAG, die Prämienzahler zu entlasten.
Worum geht es? Seinen Ärger beschreibt Helsana-Manager Guido Klaus im hauseigenen Magazin «Standpunkt», heute erschienen. Die Versicherer hatten erwartet, dass nach den aktuellsten Überprüfungen die Medikamentenpreise ab nächstem Monat auf breiter Front sinken würden – Preisanpassungen von mindestens 300 Millionen seien erwartet worden, so Klaus. Doch Mitte Oktober informierte das BAG, dass die Umsetzung der Preissenkungen erst Anfang 2018 erfolgen könne. «Die angekündigte Verzögerung kostet den Prämienzahler nun rund 25 Millionen Franken», rechnet Klaus vor.

«Aus Ressourcengründen»

Der Helsana-Ökonom erinnert daran, dass das BAG ohnehin schon die routinemässige Überprüfung der Vorjahre ausfallen lassen musste – dies, nachdem das Bundesgericht in einem Urteil von Anfang 2016 subtilere Methoden verlangt hatte. Danach geschah vorerst nichts. Die Erklärung des BAG: Man habe die technischen Umstellungen nicht so rasch vornehmen können – aus «Ressourcengründen». Wie Helsana dabei verrät, boten die Versicherer zwar Hilfe an, auch mit EDV-Unterstützung. Doch das Amt sei nicht darauf eingegangen.
Kurz: Es fehlt an einer Plattform, auf der die Auslandspreisvergleiche und die therapeutischen Quervergleiche recht automatisiert durchgeführt werden könnten. Woran dies genau liegt, ist offen – Guido Klaus vermutet Differenzen zwischen BAG und Pharmaindustrie.

Der Vergleich mit der Tankstelle

Sein Kommentar: «Man stelle sich einmal vor, die Rohölpreise würden auf dem Weltmarkt schockartig um 20 Prozent sinken und sämtliche Tankstellen in der Schweiz würden die Benzinpreise auf breiter Front senken – nur einer würde an den alten Preisen festhalten. Dies aus administrativen Gründen, weil er technisch nicht in der Lage sei, die Preise sofort anzupassen. Er müsse daher zwei Jahre lang die alten Preise verlangen. Wie lange gäbe es wohl diesen Marktteilnehmer noch?»
Die Anspielung auf den schockartigen Preisverfall verweist auf die Währungsbewegungen der letzten Jahre: Zwar gab es drastische Euro-Abstürze (und Stopp-Versuche der Nationalbank), aber bei den Medikamentenpreisen bewegte sich wenig. Es wurde ja nicht überprüft.

Alte Preise, teure Preise

«Die aktuell auf der Spezialitätenliste geführten Medikamente sind zu Wechselkursen zwischen 1,20 Franken und teils über 1,50 Franken bewertet», so der Kommentar von Helsana. «Rein wechselkursbedingt bezahlten die Konsumenten und Patienten in den letzten drei Jahren im Vergleich zum Ausland Preise, die mindestens 15 Prozent zu hoch ausgefallen sind. Angesichts des Volumens von sieben Milliarden Franken wird deutlich: Es geht um viel Geld.»
In der AZ wurde Klaus dabei konkreter: Wegen der Passivität des BAG hätten die Prämienzahler in den letzten drei Jahren über 2 Milliarden Franken zuviel für kassenpflichtige Medikamente bezahlt.
Das BAG könne diese Summe nicht nachvollziehen, sagte Sprecher Arcidiacono: Das Amt schätzt, dass in den Jahren ohne Preisüberprüfung jeweils bloss Einsparungen von rund 100 Millionen Franken entgangen seien.
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