Keimfreie Hände sind oft Ansichts-Sache

Mediziner und Pflege vernachlässigen die Handhygiene vielleicht öfter, als man meint: Es kommt nämlich drauf an, ob man beobachtet wird.

, 15. Juni 2016 um 06:55
image
  • hygiene
  • infektiologie
  • spital
Laut der Stiftung Patientensicherheit liessen sich 20 bis 30 Prozent der Infektionen in Spitälern durch intensive Hygienemassnahmen verhindern. Und in den Krankenhäusern selber fehlt es bekanntlich nicht an Aufklärungsaktionen oder Handhygiene-Tagen, die allen die Bedeutung dieser Sache bewusst machen. Oder bewusst machen sollten.
Aber womöglich kommt es trotzdem drauf an. Dies besagt jetzt jedenfalls ein simpler Test in den USA. Beobachtet wurde dabei, wie sehr die Ärzte und Pflegenden eines kalifornischen Spitals (Santa Clara Valley Medical Center) auf die Infektionsvorsorge achteten. 
Und zwar erstens, wenn sie dabei beobachtet wurden – und wenn sie nicht beobachtet wurden. Der Unterschied war nicht nur signifikant, er war frappant.

4'640 Einzelbeobachtungen

Knapp zwei Drittel des Personals (57 Prozent) hielten alle Compliance-Regeln ein, wenn sie wussten, dass sie dabei beobachtet wurden. Wähnten sie sich aber unbeobachtet, so benutzten nur noch 22 Prozent den Alkohol-Spender so intensiv und so exakt wie gelernt.
Die Daten wurden jetzt am Kongress des US-Infektiologenverbandes APIC veröffentlicht. Beim Versuch im Santa Clara Valley waren einerseits fünf Spezialistinnen für Infektionsprävention vor Ort – die beim Personal bekannt waren. Andererseits beobachteten 15 Freiwillige die Handhygiene-Massnahmen der einzelnen Ärzte und Nurses diskret. Insgesamt 4'640 Einzelbeobachtungen kamen zwischen Juli und Dezember 2015 so zusammen.
Erwähnt sei andere Feststellung der Autorinnen der Studie: Das Pflegepersonal beachtete – unbeobachtet – die Regeln viel besser als die Ärzte (wobei ein Prozentsatz hier nicht verraten wurde).
Aber insgesamt lässt sich sagen: Wenn andere drauf schauen, wird die Handhygiene doppelt so gut beachtet. Das Niveau der hand hygiene compliance im unbeobachteten Zustand sei jedenfalls «surprising», sagte die zuständige Präventionsfrau des betroffenen Spitals, Maricris Niles, bei der Präsentation. Vielleicht hätte sie auch sagen können: erschreckend.
Denn klar wird, dass der Beobachtungs-Effekt hier eine massive Rolle spielt. Und dass viele unserer Daten, Aussagen und Erwartungen über die Handhygiene unpräzise sein dürften.

 

Ausschreibung zum «Hand Hygiene Excellence Award»: Der Spot


Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

CHUV: Aus Spenderstuhl wird Medizin

Das Universitätsspital Lausanne ist das erste Schweizer Spital mit Swissmedic-Zulassung zur Herstellung eines Medikaments aus Fäkalbakterien.

image

100 Millionen Franken? Danke, nicht nötig.

Der Kanton Graubünden plante einen Rettungsschirm für notleidende Spitäler und Gesundheits-Institutionen. Die Idee kam schlecht an.

image

LUKS Gruppe baut Verwaltungsrat um

Elsi Meier, Giatgen A. Spinas und Pauline de Vos verlassen das Gremium. Die Nachfolge-Suche hat bereits begonnen.

image

Spital Wallis: Neuer Chefarzt für Rehabilitation

Das Spitalzentrum des französischsprachigen Wallis ernennt einen neuen Chefarzt der Abteilung für muskuloskelettale Rehabilitation: Giulio Bertero.

image

Kispi Zürich: «Finanzlage weiterhin kritisch»

Die Kantonsregierung unterstützt das Kinderspital Zürich mit weiteren 25 Millionen Franken und verstärkt die Aufsicht durch eine Vertretung im Stiftungsrat.

image

Spitalzentrum Biel: Mehr Lohn und zwei Frei-Tage

Das SZB zeigt sich spendabel: Es erhöhe die Löhne mehr als alle anderen Spitäler und Kliniken im Kanton Bern, rühmt es sich.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.