H+ will ambulante Leistungen mit Pauschalen abgelten lassen

Für Behandlungen, die wegen der bekannten Fehlanreize oft stationär statt ambulant durchgeführt werden, schlägt der Spitalverband eine neue Finanzierung vor: «One-Day-DRG».

, 22. Mai 2017 um 14:25
image
  • isabelle moret
  • spital
  • hplus
Zahlreiche Eingriffe, die heute häufig stationär durchgeführt werden, könnten auch ambulant gemacht werden. Das sagen nicht nur Gesundheitsökonomen. Das gibt auch Werner Kübler offen zu. Kübler ist Direktor des Universitätsspital Basel und Vizepräsident von H+. 
Wie Kübler am Montagmorgen an einer Medienorientierung in Bern erklärte, hinke die Schweiz im internationalen Vergleich hinterher. «In der Schweiz könnten mehr Eingriffe ambulant statt stationär durchgeführt werden, wie beispielsweise das Entfernen von Krampfadern oder die OP eines Leistenbruchs».

«In der Schweiz könnten mehr Eingriffe ambulant statt stationär durchgeführt werden, so das Entfernen von Krampfadern oder die OP eines Leistenbruchs»

Um Verschiebungen von stationären Leistungen in den ambulanten Sektor zu unterstützen, müssten zuerst Fehlanreize eliminiert werden. Und diese ortet der Spitalverband H+ in der nicht kostendeckenden und nicht sachgerechten Vergütung der ambulanten Leistungen.

«One-Day-DRG» statt Tarmed

Für Behandlungen, welche stationär oder ambulant durchgeführt werden, schlägt H+ daher spitalambulante Pauschalen vor, genannt «One-Day-DRG». Für die Psychiatrie wären demgegenüber leistungsbezogene tagesklinische Pauschalen angebracht.
Verbandspräsidentin Isabelle Moret kritisierte denn auch den angekündigten Eingriff des Bundesrats in den aktuellen Tarmed. Die Situation werde dadurch nicht verbessert. «Der Tarifeingriff des Bundes raubt den Tarifpartnern jegliches Interesse, partnerschaftliche Lösungen für einen neuen ambulanten Tarif zu finden», sagte die Waadtländer Nationalrätin der FDP, als ob die Tarifpartner bisher ein Interesse gezeigt hätten, eine Einigung zu erzielen.
image
Nachzügler Schweiz: Anteil spitalambulanter Eingriffe an allen chirurgischen Eingriffen in OECD-Staaten | Grafik: GDK, Quellen: OECD/PwC
Laut Moret sollte man von der stationären Tarifstruktur und der professionellen Organisation SwissDRG lernen. «Dort klappt die Tarifpartnerschaft seit Einführung des Fallpauschalensystems 2012 gut.»
Isabelle Moret liess durchblicken, dass H+ durchaus Verständnis habe, dass gewisse Tarife nach unten korrigiert würden. Doch mehr noch sollten nach ihrer Auffassung Tarife nach oben korrigiert werden, insbesondere eben im ambulanten Spitalbereich.

Tarifeingriff erhöht Defizit um 300 Millionen

Mit dem Tarifeingriff des Bundes würde sich das Defizit im ambulanten Bereich der Spitäler und Kliniken von derzeit rund 600 Millionen auf rund 900 Millionen Franken pro Jahr erhöhen. Kritisch sei der vorgesehene Eingriff insbesondere in der Notfall-, Alters- und Kindermedizin sowie in der Psychiatrie, da aufgrund der vorgesehenen zeitlichen Limitationen die Ärzte weniger Zeit aufwenden könnten.

Das sagt Curafutura zum Vorschlag der FMH

«Der Eingriff des Bundesrates ist ja keine Ersatzrevision, sondern primär ein Schuss vor den Bug der Tarifpartner, die Totalrevision des völlig veralteten Tarmed nach Jahren der Ergebnislosigkeit endlich voran zu bringen», sagt Pius Zängerle, Direktor des Krankenkassenverbands Curafutura, bei dem CSS, Helsana, Sanitas und KPT angeschlossen sind. Insgesamt begrüsst Curafutura das Ansinnen der FMH, eine Gesamtrevision des Tarmed anzustreben.
Doch mit dem Eingriff des Bundesrats könne das Tarifsystem für die ambulante Versorgung auf eine zeitgemässe Basis gestellt werden.
Laut Zängerle werden mit dem Tarifeingriff des Bundesrates nur die schlimmsten Fehlanreize und stossendsten Falschtarifierungen ausgemerzt. So werde das Kostenniveau der Jahre 2012 und 2013 wiederhergestellt.

Prämienanstieg: 3 statt 5 Prozent

«Die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler, die in den letzten Jahren schmerzliche Aufschläge zu tragen hatten, verdienen es, dass wir sie jetzt ein wenig entlasten», meint Zängerle. Und er erinnert daran: Auch mit dem Tarifeingriff werden die Prämien auch nächstes Jahr weiter ansteigen – einfach um durchschnittlich 3 Prozent statt um 5 Prozent.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

image

Spitalhygiene: Geschlechtsneutrale WCs bergen ein Risiko

In schottischen Krankenhäusern wurden Damen-, Herren- und Unisex-Toiletten auf Keime geprüft. Heraus kamen drastische Unterschiede.

image

Eine Zusammenarbeit, vernetzt wie das Gefässsystem

Wie in den meisten anderen medizinischen Fachbereichen setzt das Spital Lachen auch in seinem Gefässzentrum auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie garantiert den Patientinnen und Patienten eine professionelle und ganzheitliche Diagnostik, Behandlung und Nachbehandlung.

image

«Jetzt handeln»: Spitäler fordern Reform bei Tarifen

Der Spitalverband H+ schlägt Alarm: Ohne Teuerungsausgleich bei den Tarifen gerate die Versorgung aus dem Gleichgewicht. Eine Standesinitiative will Abhilfe schaffen. Doch es gibt Widerstand.

image

Ressourceneffizienz bei Schweizer Spitälern

Interview von Unite mit Andrea Raida M.Sc., Projektleiterin Health Care Logistics am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, über Ergebnisse des Forschungsprojekts «Green Hospital»

Vom gleichen Autor

image

«Die Angehörigenpflege darf nicht zu einem Geschäftsmodell werden»

Ambitionslos und verantwortungslos - die SP-Nationalrätin Ursula Zybach ist vom Bericht des Bundesrats enttäuscht.

image

Spitallisten: Druck auf Kantone nimmt zu

Wie der Ständerat macht auch der Nationalrat Druck, damit die Kantone die Spitalplanung und die Leistungsaufträge aufeinander abstimmen.

image

«Der Kanton hat zur Lohnpolitik des Spitals nichts zu sagen»

Das Thurgauer Kantonsspital ist deutlich besser aufgestellt als alle anderen grossen Spitäler der Schweiz. Gesundheitsdirektor Urs Martin nennt die Gründe.