Harnkatheter aus dem Spital St. Gallen dienen der Material-Forschung

Gemeinsam mit Ärzten des Spitals St. Gallen untersuchen Forscher die Ablagerungen auf Harnkathetern. Das Ziel: Neues Material, auf dem sich keine Keime bilden können.

, 17. Juli 2019 um 10:10
image
  • spital
  • ärzte
  • forschung
  • empa
  • kantonsspital st. gallen
90 Patienten aus dem Kantonsspital St. Gallen tragen mit den Harnkathetern, die ihnen angelegt worden sind, zur Forschung über gefährliche Spitalkeime bei. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, kurz Empa, haben zusammen mit Spitalärzten die Oberfläche der Katheterschläuche untersucht.
Das Resultat: Schon nach drei Wochen Verweildauer im Körper haben sich in den Schläuchen offenbar nicht nur Calciumkristalle aus dem Urin abgelagert, sondern auch hartnäckige Bakterienansammlungen, so genannte Biofilme. Das schreibt die Empa in einer Medienmitteilung.

Biofilm schützt und versorgt die Bakterien

Hartnäckig sind die Bakterienansammlungen deshalb, weil sie innerhalb dieser Biofilme in eine selbst produzierte schleimige Matrix eingebettet sind, die sich wie ein einziger grosser Organismus verhält. Dank der gelartigen Schicht aus Biopolymeren sind die zusammenlebenden Bakterien geschützt, beweglich und miteinander verbunden.
Sie können nützliche Erbgutstücke untereinander austauschen, kommunizieren über chemische Signale und melden an die Oberfläche, wenn die tieferen Schichten Nahrung brauchen. Antibiotika und Desinfektionsmittel durchdringen den Film kaum. Bei Bedarf kann die Masse auch einen Trupp von Pionieren an einen neuen Ort entsenden und dort weitere Kolonien gründen.

Ziel: Neues Material, auf dem sich die Bakterien nicht niederlassen können

Kein Wunder bekommen etwa Nierenstein-Patienten häufig Harnweginfekte, wenn ihnen ein Harnkatheter gelegt wird. Auf den Schläuchen verbreiten sich Biofilme trotz Desinfektion und Antibiotikaeinsatz ohne grosse Hindernisse.
Im Kampf gegen Infekte prüft die Empa nun neue Methoden: Sie will Materialien entwickeln, die das Infektionsrisiko senken. «Ein Schlüsselereignis bei der Entstehung eines Biofilms ist der Moment, wenn sich frei bewegliche Bakterien auf der Oberfläche anheften», erklärt die Empa-Forscherin Qun Ren.

Bakterien heften sich an wie ein Gecko

Dabei setzen manche der Mikroorganismen auf denselben Trick wie Geckos, die kopfüber an einer Glasscheibe Halt finden: Sie nutzen so genannte Van-der-Waals-Kräfte, Wechselwirkungen zwischen ihren eigenen Molekülen und jenen der Oberfläche, die ihnen ein neues Zuhause bieten soll.
Es gibt auch Bakterien, welche das Material, das sie besiedeln wollen, zuerst mit einem passenden Überzug beschichten. Dieser erleichtert ihnen dann das Niederlassen. «Um die Bakterien zu bekämpfen, muss man daher bereits den Prozess der Anheftung verhindern», erklärt Ren. «Wenn wir die Bakterien in den Biofilmen genau kennen, können wir neue Materialien herstellen, die sich ihnen widersetzen», hofft Ren.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

Zurück auf die Beine: Stimulation hilft Gelähmten beim Gehen

Ein neues Verfahren aus Lausanne verbindet Rückenmark-Stimulation mit Robotik – um bei Querschnittgelähmten die Muskelkoordination zu verbessern. Das System könnte weltweit in Reha-Kliniken eingesetzt werden.

image

Leberkrebs: Ein weiterer Schritt zur vollständigen Remission?

Eine internationale Studie unter Genfer Leitung zeigt, dass ein genaues Intervall zwischen Immuntherapie und Lebertransplantation die Chancen auf eine vollständige Remission des hepatozellulären Karzinoms maximieren könnte.

image

Co-Creation im Gesundheitswesen

Zippsafe revolutioniert mit seinen Produkten das Gesundheitswesen. Ein platzsparendes Spindsystem optimiert Personalumkleiden, während ZippBag und ZippScan den Umgang mit Patienteneigentum verbessern. Erfahren Sie, wie die Produkte durch enge Zusammenarbeit mit Schweizer Spitälern entwickelt wurden.

image

Effiziente Desinfektion: Plastikfrei & nachhaltig

Die Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues bieten nachhaltige und effektive Desinfektion. Sie bestehen aus 100% plastikfreien Cellulosetücher und reduzieren CO₂-Emissionen um 25% pro Packung. Mit hoher Reissfestigkeit, grosser Reichweite und Hautverträglichkeit sind sie optimal für Hygiene und Umwelt.

image

KI auf Abwegen: Wenn das Röntgenbild sagt, dass einer Bier trinkt

Künstliche Intelligenz birgt in der Medizin ein heikles Risiko: das «Shortcut Learning». Dabei liefern Algorithmen völlig akkurate Ergebnisse – die kreuzfalsch sind.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.

image

«Hausarzt ist kein Beruf, den man subventionieren muss»

Ein Arzt macht vor, wie eine Berggemeinde zu medizinischer Versorgung kommt. Und er kritisiert Kollegen, die einfach ihre Praxis schliessen.