90 Patienten aus dem Kantonsspital St. Gallen tragen mit den Harnkathetern, die ihnen angelegt worden sind, zur Forschung über gefährliche Spitalkeime bei. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, kurz Empa, haben zusammen mit Spitalärzten die Oberfläche der Katheterschläuche untersucht.
Das Resultat: Schon nach drei Wochen Verweildauer im Körper haben sich in den Schläuchen offenbar nicht nur Calciumkristalle aus dem Urin abgelagert, sondern auch hartnäckige Bakterienansammlungen, so genannte Biofilme. Das schreibt die Empa in einer Medienmitteilung.
Biofilm schützt und versorgt die Bakterien
Hartnäckig sind die Bakterienansammlungen deshalb, weil sie innerhalb dieser Biofilme in eine selbst produzierte schleimige Matrix eingebettet sind, die sich wie ein einziger grosser Organismus verhält. Dank der gelartigen Schicht aus Biopolymeren sind die zusammenlebenden Bakterien geschützt, beweglich und miteinander verbunden.
Sie können nützliche Erbgutstücke untereinander austauschen, kommunizieren über chemische Signale und melden an die Oberfläche, wenn die tieferen Schichten Nahrung brauchen. Antibiotika und Desinfektionsmittel durchdringen den Film kaum. Bei Bedarf kann die Masse auch einen Trupp von Pionieren an einen neuen Ort entsenden und dort weitere Kolonien gründen.
Ziel: Neues Material, auf dem sich die Bakterien nicht niederlassen können
Kein Wunder bekommen etwa Nierenstein-Patienten häufig Harnweginfekte, wenn ihnen ein Harnkatheter gelegt wird. Auf den Schläuchen verbreiten sich Biofilme trotz Desinfektion und Antibiotikaeinsatz ohne grosse Hindernisse.
Im Kampf gegen Infekte prüft die Empa nun neue Methoden: Sie will Materialien entwickeln, die das Infektionsrisiko senken. «Ein Schlüsselereignis bei der Entstehung eines Biofilms ist der Moment, wenn sich frei bewegliche Bakterien auf der Oberfläche anheften», erklärt die Empa-Forscherin Qun Ren.
Bakterien heften sich an wie ein Gecko
Dabei setzen manche der Mikroorganismen auf denselben Trick wie Geckos, die kopfüber an einer Glasscheibe Halt finden: Sie nutzen so genannte Van-der-Waals-Kräfte, Wechselwirkungen zwischen ihren eigenen Molekülen und jenen der Oberfläche, die ihnen ein neues Zuhause bieten soll.
Es gibt auch Bakterien, welche das Material, das sie besiedeln wollen, zuerst mit einem passenden Überzug beschichten. Dieser erleichtert ihnen dann das Niederlassen. «Um die Bakterien zu bekämpfen, muss man daher bereits den Prozess der Anheftung verhindern», erklärt Ren. «Wenn wir die Bakterien in den Biofilmen genau kennen, können wir neue Materialien herstellen, die sich ihnen widersetzen», hofft Ren.