Gesundheitsdirektor liess Alte nicht im Stich

Die «Basler Zeitung» erhob zu scharfe Vorwürfe gegen Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger – ohne dass er sich dazu äussern konnte. Der Presserat tadelte.

, 16. April 2021 um 16:00
image
  • politik
  • lukas engelberger
  • gesundheitsdirektoren
  • basel
  • pflege
«Lukas Engelberger liess Alte im Stich»: So titelte die «Basler Zeitung» vorigen Sommer. Und sie unterstellte damit dem verantwortlichen Regierungsrat Engelberger, er habe den Tod von Menschen, die in Basler Altersheimen lebten, in Kauf genommen.

Zu spät geholfen?

Der konkrete Vorwurf lautete: Das Demenzzentrum Martha-Stiftung, das 15 Tote zu beklagen hatte, habe früh Hilfe beim Gesundheitsdepartement von Lukas Engelberger gesucht – «doch die Unterstützung kam zu spät.»
Ein happiger Vorwurf. Doch Engelberger (45), CVP-Regierungsrat und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), konnte nie persönlich Stellung dazu nehmen.

«Politiker in Spitzenamt muss sich das gefallen lassen»

Stattdessen schrieb die Zeitung nur allgemein: Die höheren Todeszahlen erkläre man sich beim Basler Gesundheitsdepartement damit, dass bei Dementen die Verhaltensregeln «unmöglich» eingehalten werden könnten und viele Bewohner wegen einer Vorerkrankung ein höheres Sterberisiko hätten. Die Zeitung wertete das gar als Ausrede, indem sie schrieb, dass die Geschäftsleiterin des Zentrums, Monica Basler, das anders sehe.
Engelbergers Gesundheitsdepartement wandte sich wegen des Artikels mit einer Beschwerde an den Presserat, eine Selbstkontroll-Organisation der Schweizer Medien. Dem Presserat gegenüber sagte der verantwortliche Journalist: Die Schlagzeile «Lukas Engelberger liess Alte im Stich» sei eine absolut legitime und durch Fakten gestützte Zuspitzung, die sich ein gewählter Exekutivpolitiker in einem solchen Spitzenamt gefallen lassen müsse.

Die Frage darf man stellen

Das sah wiederum der Presserat anders: Er gab zwar dem Journalisten Recht, dass die Frage, ob Tote zu verhindern gewesen wären, zweifellos im öffentlichen Interesse gelegen sei. Sie zu stellen sei auch dann legitim, wenn einem politisch Verantwortlichen kein Vorsatz unterstellt wird.
Doch unterstelle der Titel des Artikels dem verantwortlichen Regierungsrat Engelberger mehr: Er habe «Alte im Stich» gelassen und somit ihren Tod in Kauf genommen. Völlig ungeachtet des Wahrheitsgehalts sei dies ein schwerer Vorwurf, der ein illegales oder damit vergleichbares Verhalten unterstellt. «Engelberger hätte folglich mit diesem schweren Vorwurf konfrontiert werden müssen», kommt der Presserat zum Schluss.

Engelberger kam dann doch noch zu Wort

Der Journalist hätte Regierungsrat Engelberger oder wenigstens seine Presseverantwortliche zu den konkreten Vorwürfen Stellung beziehen lassen müssen. Er hat das unterlassen. Die «Basler Zeitung» habe deshalb gegen den Presse-Kodex verstossen.
In der «Basellandschaftlichen Zeitung» kam Engelberger wenig später dann zu Wort: Der Vorwurf der «Basler Zeitung» sei «krass falsch.» Am 28. Februar habe man das erste Informationsschreiben an alle Pflegeheime versandt und ab dem 1. März Schutzmaterial gratis geliefert. Das Marthastift habe davon so viel bezogen wie kein anderes Pflegeheim. Engelberger sagte auch: «Mitte März hat der stellvertretende Kantonsarzt das Demenzzentrum bezüglich Schutzkonzept telefonisch beraten. Das wurde sogar verdankt.» Und weiter: «Ich kann mir nicht erklären, wie man auf diese Vorwürfe kommt. Sie sind völlig hanebüchen.»

Drei Sätze zur Richtigstellung

Kleinlaut zog dann auch die «Basler Zeitung» mit einem kurzen Korrekturhinweis nach: In drei Sätzen stellte sie richtig, dass der Martha-Stiftung nicht zu spät geholfen worden sei; vielmehr habe sie bereits im März 2020 in hohem Masse praktische und medizinische Unterstützung erhalten.
Seither hat die «Basler Zeitung» nicht etwa von Lukas Engelberger abgelassen. Bereits knapp zwei Monate später spielte sie Engelberger gegen seinen Baselbieter Amtskollegen Thomas Weber aus und schrieb die Schlagzeilen: «Weber schützt Senioren besser als Engelberger».

Auch die Pflegenden im Stich gelassen

Doch lang blieb auch Thomas Weber nicht in der Gunst der Zeitung. Nun ist es nicht mehr Engelberger, der die Alten im Stich liess. Sondern: «Engelberger und Weber lassen Pflegende im Stich». Der Vorwurf: «Keine Corona-Prämie für Pflege: Das Pflegepersonal ist erschöpft und erhält weniger Lohn. Die Gesundheitsdirektoren in beiden Basel sehen sich nicht in der Verantwortung.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Bericht: Bundesrat will Arbeitsbedingungen in der Pflege detailliert regeln

Geprüft wird unter anderem eine Spannbreite der Arbeitszeit, eine Ankündigungsfrist für Dienstpläne oder mehr Geld für Kurzfrist-Einsätze.

image
Gastbeitrag von Alessia Schrepfer

Wartet nicht einfach, bis die Politik tätig wird

Es braucht mehr unternehmerisches Denken im Gesundheitswesen – und erst recht im Pflegeberuf.

image

Studie: Wo das Pflegepersonal unzufrieden ist, sterben mehr Patienten

Erstmals wurden Zusammenhänge zwischen den Kündigungsabsichten in der Pflege und der Mortalität im Spital erforscht.

image

«Professionelle Dolmetschdienste sind übertrieben»

Der Nationalrat will nichts wissen von einer einheitlichen Vergütungspflicht für Dolmetscherdienste im Gesundheitsbereich. Auch dank Digitalisierung und KI sei dies nicht nötig.

image

Pflegeheim: Welcher Wohnsitz gilt?

Der Nationalrat will, dass Bewohner eines Pflegeheims beim Heimeintritt wählen können, ob sie den Steuersitz verlegen oder den alten behalten können.

image

«Die Tarifpartnerschaft ist nicht ebenbürtig»

Der umstrittene Tarifeingriff in der Physiobranche ist noch nicht in Kraft. Lange will die Gesundheitsministerin aber nicht mehr warten.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Notfall des See-Spitals war stark ausgelastet

Die Schliessung des Spitals in Kilchberg zeigt Wirkung: Nun hat das Spital in Horgen mehr Patienten, macht aber doch ein Defizit.