Alle wollen gesund sein und bleiben. Das Gesundheitswesen steht deshalb mitten im Fokus der Öffentlichkeit. Gleichwohl gib es erstaunlich wenige unabhängige Fachpersonen, welche die teils komplexen Sachverhalte und Entwicklungen in der Branche einem breiten Publikum erklären. Diese Aufgabe übernehmen in der Praxis deshalb vorwiegend Gesundheitsökonomen. Doch auch diese haben häufig Interessenbindungen; zudem suchen nur die Wenigsten die Öffentlichkeit. Und so lassen sich jene an einer Hand abzählen, die den Masse das Gesundheitswesen zu erklären versuchen.
Einer von ihnen ist Willy Oggier. In den letzten 12 Monaten wurde er gemäss Mediendatenbank in stolzen 129 Zeitungsartikel zitiert. Hauptsächlich berät der selbständige Ökonom Player aus dem Gesundheitswesen - darunter schon auch mal eine Kantonsregierung - nebenbei gibt er aber auch den Erklärer der Gesundheitsnation. Ein Job ohne Anstellung und ohne Pflichtenheft - aber durchaus mit Verantwortung.
«Pflegefachmangel ist Wunschdenken»
Auch deshalb fällt es ins Gewicht, was Oggier sagt. So wie in dem am Montag erschienen Interview im «Bund». Oggier bezweifelte darin unter anderem, dass es einen Mangel an Pflegefachkräften gibt. O-Ton: «Meiner Meinung nach handelt es sich bei diesem Mangel zu einem Teil um Wunschdenken von Ausbildungsinstitutionen wie Fachhochschulen, die so entsprechende Ausbildungsplätze und Mittel für ihre Zukunft sichern wollen.» Brauchen die Spitäler, Heime, die Psychiatrie und die Spitex also eigentlich gar kein zusätzliches Personal?
«Dramatischer Mangel»
Noch im letzten November hatte es beim Spitalverbund Hplus ganz anders getönt. Direktorin Anne-Geneviève Bütikofer schlug im jeweils vor den Sessionen des Bundesparlaments erscheinenden Bulletin «Bundeshaus Hplus» Alarm: «Der dramatische Mangel an Pflegepersonal erfordert rasches und effektives Handeln.»
Hat sich seither etwas geändert? Nachfrage bei Dorit Djelid, Direktionsmitglied und Sprecherin von Hplus. Sie verneint und sagt: «Das gewisse Stellen nicht besetzt werden können, ist ein Fakt.» Speziell Pflegefachkräfte mit höheren Abschlüssen würde heute zu wenige ausgebildet. Auch Zahlen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums Obsan zeigen, dass gerade Pflegefachkräfte mit Tertiärabschluss fehlen: Die Abschlüsse decken dort nicht einmal die Hälfte es Bedarfs. Aber auch auf niedrigeren Stufen fehlt Personal.
«Aktuell sind 11‘000 Pflegestellen offen – 6000 davon im Bereich der diplomierten Pflegefachpersonen», sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin vom Pflegeverband SBK . Sie ist ob den Aussagen von Oggier irritiert.
2030 ist eine von vier Stellen unbesetzt
Auch Peter Marbet; Direktor vom Berner Bildungszentrum für Pflege sagt, es gebe kein Zweifel daran, dass es ein Pflegefachkräftemangel gebe. Dies sei keine Erfindung von Ausbildungsstätten, sonder ein unbestrittener Fakt. Im Kanton Bern etwa sei dies in der kantonalen Versorgungsplanung festgehalten - ebenso die Massnahmen, um den Mangel zu bekämpfen.
Laut Ribi wird sich der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren massiv verschärfen. Dies zeigt auch eine Studie von Obsan: Diese geht von 65'000 fehlenden Pflegenden im Jahr 2030 aus.
Zumindest diesmal fällt Willy Oggier beim Faktencheck durch.