Die Kosten sinken – und die Prämien steigen?

Während die Gesundheitskosten im Sinken begriffen sind, scheinen die Prämien gleichzeitig zu steigen. Warum? Jürg Schlup, der Präsident der FMH, hat dafür eine Erklärung.

, 17. September 2019 um 06:52
image
  • versicherer
  • fmh
  • jürg schlup
Die mit Prämiengeldern finanzierten Gesundheitsleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind im Jahr 2018 um 0.3 Prozent gesunken. Erstmals seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG).
Gleichzeitig stiegen die Prämien um 3.6 Prozent. Der Grund: Die Kostenprognose für 2018 lag deutlich zu hoch. Wie schon für das Vorjahr. Die Prämienmitteilung des Bundes hatte prognostiziert, dass die Standardprämie für 2018 wegen wachsender Gesundheitskosten um vier Prozent steigen müsse.

«Ärzteschaft hat einen wesentliche Beitrag geleistet»

Immer mehr Behandlungen erfolgen auch ambulant. Damit sanken die Bruttokosten des stationären Bereichs um 2.8 Prozent. Auch die Bruttokosten der ambulanten Ärzte sanken ebenfalls - um 0.7 Prozent. «Die Ärzteschaft hat also einen wesentlichen Beitrag zu dieser Kostendämpfung geleistet», schreibt FMH-Präsident Jürg Schlup im jüngsten Editorial der «Schweizerischen Ärztezeitung». Das könnte durchaus auch anerkannt werden.
Denn es wäre zu kurz gegriffen, so Schlup weiter, den Kostenrückgang deshalb auf den Tarifeingriff des Bundesrates zurückzuführen. Bereits 2017 – also vor seinem Eingriff – stiegen die Leistungskosten mit zwei Prozent deutlich unterdurchschnittlich.

Globalziel von 2,7 Prozent erfüllt 

Damit folgten die Leistungskosten einem langfristigen Trend in Richtung Kostendämpfung. In den ersten zehn Jahren nach Einführung des KVG betrug der durchschnittliche Zuwachs der Leistungskosten pro Versicherten noch 4.6 Prozent. Für die Jahre 2008 bis 2018 weist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nur noch eine durchschnittliche Steigerung von 2.7 Prozent aus.
So unterbietet laut FMH-Präsident Jürg Schlup das Kostenwachstum der letzten zehn Jahre bereits heute die vom Bundesrat ab 2021 angestrebte «verbindlich vorgegeben Wachstumsrate von 3.3 Prozent. Mehr noch: Das Kostenwachstum erfülle sogar sein erst «für die zweite Fünfjahresperiode» ab 2026 vorgesehenes «Globalziel von 2.7 Prozent».

Nur so lassen sich Prämiensteigerungen einbringen

Jürg Schlup verweist auch auf den Umstand, dass «Bad News» mehr Aufmerksamkeit erhalten, was auch genutzt werde. Doch wie könnten Krankenversicherer ihre politischen Forderungen besser einbringen als mit der Androhung erheblicher Prämiensteigerungen, fragt Schlup. Oder wie liesse sich umfangreiche staatliche Regulierung und Budgetierung einfordern, wenn nicht mit der Ansage einer «Kostenexplosion»? Und wie könnte man besser für eine «Kostenbremse» mobilisieren als mit einem angeblich bevorstehenden «finanziellen» Kollaps» des Gesundheitswesens?
Natürlich dürften Verbesserungen nicht den Blick auf das verstellen, was es weiter zu verbessern gilt, wie Jürg Schlup anerkennt. Lösungen verlangten jedoch differenzierte Betrachtungen. «Wer sich der Bevölkerung als Retter präsentieren möchte, wer mehr politische Einflussnahme sucht, muss hingegen Bedrohliches betonen, vor dem er uns schützen kann.» Positives über Kostendämpfung nütze solchen Interessen nicht – dafür umso mehr den Prämienzahlern. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Die Schweiz ist mehr denn je von ausländischen Ärzten abhängig

Der Anteil der hier berufstätigen Ärztinnen und Ärzte mit ausländischem Diplom nähert sich der Hälfte des Bestandes.

image

Ehemaliger Sympany-CEO an der Spitze von Eskamed

Michael Willer hat die Leitung von Eskamed übernommen. Das Basler Unternehmen hat sich auf die Qualitätssicherung in der Komplementär- und Präventivmedizin spezialisiert.

image
Gastbeitrag von Guido Schommer

Aufsichts-Populismus: Wer schützt die Versicherten vor der Finma?

Die Aufsichtsbehörde will den Zusatzversicherungsmarkt noch mehr regulieren. Den Versicherten hilft das nicht, im Gegenteil: Spitäler geraten unter Druck, die Spitalwahl wird eingeschränkt, die Versorgung leidet.

image

«Nur in Genf und der Waadt haben wir noch Probleme»

Die Finma genehmigt keine neuen Produkte der Krankenzusatzversicherer, solange nicht alle Transparenzanforderungen erfüllt sind – und solange sich die Ärztegesellschaften am Genfersee querstellen.

image

Prio.Swiss hält gar nichts von höheren Senioren-Prämien

Keine Abkehr vom Solidaritätsprinzip: Der neue Krankenkassenverband findet höhere Prämien für alte Menschen ungerecht – und eine unnötige Verkomplizierung.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Beenden wir die Zwangsehe der Tarifpartner

Regulierung und Bürokratie treiben die Gesundheitskosten in die Höhe – ohne Mehrwert für die Bevölkerung. Vertragszwang, Zwangsgemeinschaft der Tarifpartner, Territorialitätsprinzip: Wir sollten solche alten Zöpfe abschneiden.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.