«Der medizinische Verfall ist in vollem Gange»

Beim Kantonsspital Baselland droht eine Kündigungswelle. Die Angestellten richten einen drastischen Protestbrief an Spitalleitung und Politik.

, 18. August 2015 um 12:25
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Es ist offenbar ein scharfer Brief, der gestern beim Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber einging: «Sie müssen sicher damit rechnen, dass der Exodus der Fachkräfte und somit der medizinische Zerfall des Standorts Bruderholz bereits in vollem Gange ist», schreibt die Personalvertretung. Das Schreiben ging auch an den Verwaltungsrat und an die Geschäftsleitung des Kantonsspitals Baselland KSBL
«In Analogie zur ehemaligen Swissair könnte man von einem drohenden Grounding des Bruderholzspitals sprechen», steht weiter im dreiseitigen Brief, der in allen ärztlichen Rapporten vorgelesen worden sei. Das Protestschreiben liegt der «Basler Zeitung» vor.
Kurz: Dem Bruderholz-Spital scheint jetzt konkret zu werden, was zuvor im Berner Tiefenauspital und im Zieglerspital war. 

Zweimal Fusion, zweimal Verunsicherung

Dort fühlten sich viele ärztliche Vertreter mit dem Zusammenschluss der Spitäler zum Spital Netz Bern – unter Führung des Inselspitals – an den Rand gedrängt. Oder sie wollten die drohende Zeit der Verunsicherung vermeiden. Nach der Fusionsankündigung 2013 kam zu einer regelrechten Kündigungswelle. Neun von zehn Kaderärzten verliessen ihre Stelle vorzeitig.
Ähnlich stark irritiert im Baselbiet nun offenbar der Plan, dass sich Kantonsspital und Universitätsspital Basel zu einem Spitalverbund zusammenschliessen sollen – wobei das Bruderholz-Spital zu einer Art Tagesklinik mit starkem Ambulatorium umgewandelt werden soll. 

Die Leute suchen einen Plan B oder einen Plan C

Dies schafft offenbar Unzufriedenheit. «Viele Spitalspezialisten sehen keine nennenswerte Zukunft in diesem neuen Konstrukt», meint die Personalvertretung zu den neuen Plänen für das Bruderholz-Spital: Internisten, Chirurgen, Orthopäden, Anästhesisten, Intensiv- und Notfallmediziner seien schon dabei, «einen Plan B oder C zu organisieren», erfuhr die «Basler Zeitung».
Damit wären die Spitalverantwortlichen gescheitert mit dem Versuch, das Personal bei der Stange zu halten. Jürg Aebi, der CEO des KSBL, äusserte unlängst noch Verständnis für die Sorgen und beruhigte: Die Befürchtungen seien unbegründet, zumal allfällige Änderungen erst 2020 umgesetzt würden.

«Vertrauen nahezu vollständig verloren»

Der Widerspruch im Brief der Personalvertretung ist nun recht krass: «Das Vertrauen ins KSBL ist nahezu vollständig verloren», steht dort. Zu gross seien die Unklarheiten zur neuen Rolle des Bruderholzspitals beim Zusammenschluss. Zu lang sei der Zeithorizont bis zur Klärung der Situation. 
Hier scheint das eigentliche Problem zu liegen – gerade für die Leitung des KSBL. Der politische Prozess der Umsetzung lässt sich kaum beschleunigen: Was mit dem Bruderholz-Spital genau passieren wird, bleibt noch jahrelang in der Schwebe. Dies wiederum beruhigt heute nicht – sondern die Angestellten wollen jetzt schon klare Aussichten.

Überraschung, Zorn, Frustration

Ein zweites Problem scheint kommunikativer Art. Anfang Juli bereits hatten einige Ärzte gegenüber der «Basler Zeitung» moniert, dass sie beim Aufgleisen der Fusions-Idee nicht oder gar falsch informiert worden seien. Von den konkreten Zusammenschluss-Plänen der Regierungen erfuhren die Mitarbeiter am Tag der Mitteilung. 
Und so ist jetzt im Protestbrief die Rede von Überraschung, Niedergeschlagenheit, Zukunftsangst, Frustration, Zorn und mangelnder Wertschätzung. 
Die Spitalverantwortlichen hätten als «Schüler von Niccolo Machiavelli ihre Lektionen im Manipulieren sehr gut gelernt».
«Das Schreiben ist uns bekannt», teilte CEO Aebi der BaZ dazu mit. Man sei in regelmässigem Austausch mit den Personalvertretern. Die Verunsicherung habe aber in den letzten Wochen nicht zugenommen. 
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