Arzt erhielt 12 Mal Bonus und niemand hat es bemerkt

Einem Oberarzt am Kantonsspital Aarau (KSA) wurden 372'000 Franken Leistungsprämie statt 31'000 Franken ausbezahlt. Der Fehler wurde erst nach Monaten entdeckt.

, 12. Februar 2021 um 07:04
image
  • spital
  • neurochirurgie
Im Jahr 2019 mussten sämtliche Kliniken am Kantonsspital Aarau (KSA) im Rahmen eines Sparprogrammes Kosten senken. Auch der Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie musste auf Verlangen der Spitalleitung Personalkosten reduzieren. In der Neurochirurgie waren diese zudem um einige hunderttausend Franken höher ausgefallen als budgetiert. 
Der damalige Chefarzt Javier Fandino wollte wissen, wie es zu dieser Überschreitung gekommen war. Doch das Controlling des Kantonsspitals konnte es dem Spitzenchirurgen nicht auf Anhieb sagen, wie die NZZ am Freitag berichtet. 
Im Februar 2020 löste dann die Personal-Abteilung das Rätsel, nachdem die Lohnzahlungen überprüft wurden: Ein Oberarzt hatte die jährliche Leistungsprämie Ende 2018 zwölfmal statt einmal ausbezahlt bekommen. Es war ein buchhalterischer Systemfehler: Der Neurochirurg erhielt auf einmal 372'000 statt 31'000 Franken auf sein Konto überwiesen.  

Chirurg hat selber gekündigt 

Der Oberarzt, der den Fehler wohl kaum übersehen konnte, hatte die viel zu hohe Überweisung aber nicht gemeldet, wie erwartet werden dürfte. Fandino verlangte, dass sich das Spital wegen des «Vertrauensbruchs» von ihm trennen müsse, schreibt die Zeitung. Denn bei einem ähnlichen Fall mit einer Summe von 72'000 Franken musste eine Oberärztin ein paar Monate zuvor ebenfalls gehen. 
Doch sowohl der Chief Medical Officer als auch der Personalchef hätten sich gemäss Zeitung lange dagegen gesträubt, bis sie einer Entlassung des Oberarztes per Mitte 2020 doch zustimmten. Diesen Vorwurf kann das KSA allerdings so nicht stehen lassen. Man habe lediglich einer Verlängerung der Kündigungsfrist zugestimmt. Der Chirurg hat schliesslich selber gekündigt.  

«Wäre ohne weiteres erkennbar gewesen»

Merkwürdig an der Geschichte scheint, dass ein einziger Blick gereicht hätte, um das Offensichtliche zu erkennen, wird Fandinos Anwalt in der NZZ zitiert. «Bei den Erfolgsbeteiligungen/Prämien waren 112'000 Franken budgetiert, und effektiv wurden über 540'000 Franken ausbezahlt.» Die Differenz sei ebenfalls auf den Unterlagen ersichtlich gewesen und hätte für eine Finanzabteilung «natürlich ohne weiteres erkennbar» sein müssen.
Javier Fandino, der inzwischen nicht mehr am KSA arbeitet, wollte den Vorfall laut Zeitungsbericht zudem an den Verwaltungsrat melden. Doch das sei ihm anscheinend untersagt worden. Man habe ihm offenbar mitgeteilt, dass er Probleme bekomme, wenn er das mache. Auch diesen Vorwurf weist KSA-Sprecherin Isabelle Wenzinger gegenüber der NZZ klar zurück: Fandino sei nie davon abgehalten worden, mit dem Gremium zu sprechen.  

Personalchef wollte zuerst ärztlichen Direktor informieren

In einer E-Mail vom Februar 2020 bezeichnet der KSA-Personalchef die Angelegenheit als «unschön». Er schreibt Fandino in einer Nachricht, die auch Medinside vorliegt, folgende Zeilen: «Ich war der Meinung, dass wir beide vereinbart haben, dass die Thematik vorerst unter uns bleibt.» Er habe die Erwartung, dass dies auch so eingehalten werde. Wie vereinbart werde er lediglich den ärztlichen Direktor informieren.
Auf Anfrage erklärt der KSA-Personalchef, dass es bei solchen Sachverhalten üblich sei, zuerst die betroffenen und vorgesetzten Personen zu informieren und anzuhören. Dies sei zum Zeitpunkt des E-Mails aber noch nicht geschehen. Deshalb habe er darauf bestanden, wie mit Fandino vereinbart, vorab den betroffenen Oberarzt und den ärztlichen Direktor zu informieren. Denn bei solchen Angelegenheiten entständen schnell falsche Interpretationen und Gerüchte.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Die digitalisierte Patient Journey in der Lindenhofgruppe

Die digitale Patient Journey ist in Schweizer Spitälern etabliert. Sie erleichtert Patient:innen die Planung, Vorbereitung und Begleitung rund um den Spitalaufenthalt und entlastet das medizinische Personal – besonders bei psychisch belastenden Situationen im Vorfeld.

image

Neurochirurgie: Insel-Gruppe und Swiss Medical Network sind nun Partner

Das Berner Inselspital bietet die moderne Ultraschallchirurgie am Medizinischen Zentrum Ostermundigen von Swiss Medical Network an.

image

Hohe Fluktuation ist ein Qualitätskiller

Wenn Ärzte und Pflegepersonal häufig wechseln, leidet die Patientenversorgung, und die Mortalität steigt: Dies besagt eine Datenanalyse aus 148 britischen Kliniken.

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

Co-Creation im Gesundheitswesen

Zippsafe revolutioniert mit seinen Produkten das Gesundheitswesen. Ein platzsparendes Spindsystem optimiert Personalumkleiden, während ZippBag und ZippScan den Umgang mit Patienteneigentum verbessern. Erfahren Sie, wie die Produkte durch enge Zusammenarbeit mit Schweizer Spitälern entwickelt wurden.

image

Effiziente Desinfektion: Plastikfrei & nachhaltig

Die Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues bieten nachhaltige und effektive Desinfektion. Sie bestehen aus 100% plastikfreien Cellulosetücher und reduzieren CO₂-Emissionen um 25% pro Packung. Mit hoher Reissfestigkeit, grosser Reichweite und Hautverträglichkeit sind sie optimal für Hygiene und Umwelt.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.