Altersheim-Leitung unter Verdacht der fahrlässigen Tötung

Weil im Frühjahr mindestens 21 von 80 Bewohnern starben, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen die Leitung eines Tessiner Altersheims.

, 14. Oktober 2020 um 11:50
image
  • tessin
  • pflege
  • coronavirus
Von März bis Mai dieses Jahres wütete das Coronavirus an einem Ort im Tessin besonders stark: Im Altersheim Circolo del Ticino in Bellinzonas Stadteil Sementina starben mindestens 21 der 80 Bewohner an Covid-19.

Angehörige brachten Untersuchung ins Rollen

Nun untersucht die Tessiner Staatsanwalt die Gründe. Drei Personen, darunter auch der Leiter und die ärztliche Leiterin des Altersheims wurden befragt. Ihnen wird die fahrlässige Tötung von Corona-Infizierten und ein Verstoss gegen das Epidemiegesetz vorgeworfen.
Nach den vielen Todesfällen im Frühjahr hatten sich Angehörige von Opfern an die Polizei gewendet, weil sie wollten, dass die Todesfälle abgeklärt werden.

Sementina am meisten betroffen

Inwieweit die Altersheimleitung tatsächlich mitverantwortlich für den Tod der Bewohner ist, liegt noch im Dunkeln. Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur Mitarbeitende des Altersheims befragt, sondern auch Dokumente beschlagnahmt.
Das Altersheim in Sementina war eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Heime. Etwa die Hälfte der bisher 351 Corona-Todesfälle im Tessin wurden in Altersheimen registriert. Zuerst forderten Politiker eine parlamentarische Untersuchungskommission. Sie warfen sich gegenseitig vor, die Angelegenheit für politische Zwecke zu missbrauchen. Dann übernahm jedoch die Staatsanwaltschaft die Abklärungen.

SVP und Lega fordern Entlassung der Heimleitung

Die SVP und die Lega-Partei im Stadtrat von Bellinzona wollen jedoch noch heute abend mit einer Interpellation erreichen, dass der Leiter und die ärztliche Leiterin des Altersheims sofort ihres Amtes enthoben werden, wie tio.ch meldet.
Darüber hinaus erwarten die Politiker, dass sich die Stadtbehörden bei den Angehörigen der Opfer des «Massakers von Sementina» entschuldigen. Diese Bezeichnung haben die Politiker laut ihren Aussagen gewählt, weil 13 von 16 Bewohnern im gleichen Stockwerk des Heims starben.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Sektionen des Pflegefach-Berufsverbands lösen sich auf

Mit etwas Wehmut nehmen die bisherigen regionalen Sektionen des Berufsverbands Abschied. Ab nächstem Jahr gibt es nur noch eine gesamtschweizerische Organisation.

image

Ein Blutstropfen Hoffnung bei Alzheimer

Neue Bluttests könnten die Alzheimer-Diagnostik revolutionieren – früher, einfacher, präziser. Sie eröffnen Chancen, das Gesundheitssystem zu entlasten und geben Patient:innen und Ärzt:innen neue Hoffnung.

image

BFS: Zahl privater Spitex-Anbieter erreicht Rekordwert

Die Zahl privater Spitex-Anbieter erreichte 2024 einen neuen Höchststand: 844 gewinnorientierte Unternehmen leisten immer mehr Pflegestunden, während gemeinnützige Organisationen Marktanteile verlieren.

image

Pflegeinitiative: Politik bremst bei der Umsetzung – erst Kosten, dann Gesetz

Die Beratungen über das neue Pflegegesetz gehen in eine neue Runde: Die zuständige Nationalrats-Kommission will genauer wissen, was das kostet. — «Unfassbar!», kommentiert dies der Personalverband SBK.

image

Krankenkassen fordern Vorgaben für psychiatrische Angehörigenpflege

Mit Qualitätsverträgen wollen die Krankenversicherungen die Grenze zwischen psychiatrischer Grundpflege und Alltags-Betreuung bestimmen.

image

Pflegeinitiative: SBK gegen Medienberichte

Zwei Milliarden jährlich für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege? Nach Meldungen über Milliardenkosten wegen der Pflege-Initiative warnt der Personalverband SBK vor einer verzerrten Debatte.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.