Stellen wir uns vor: Die Aargauer Kantonsspitäler schaffen ein eigenes Medizinstudium – gemeinsam mit einer Universität in Kroatien. Die Jungmediziner werden dabei jeweils in Aarau beziehungsweise Baden klinisch ausgebildet, mit dem Ziel, sie längerfristig an die Region heranzuführen und hier auch zu binden.
Komische Vorstellung? Etwas Ähnliches geschieht gleich nebenan. Die Regiomed-Klinikgruppe im deutschen Oberfranken richtet ein Studienangebot in Humanmedizin ein, in Zusammenarbeit
mit der Universität Split. Ab Oktober werden 25 Studentinnen und Studenten in Split ihr Medizinstudium beginnen, Ausbildungssprache ist Englisch. Nach drei Jahren wechseln sie an die Regiomed-Kliniken in Coburg und Lichtenfels. Dort verbringen sie ihre letzten Studienjahre und wenden ihre Hochschul-Kenntnisse aus Split insbesondere im klinischen Bereich an.
Ökonomisierung der Medizin-Ausbildung?
Natürlich ist die Grundidee nicht ganz neu. Der US-Klinikkonzern
Kaiser Permanente gab beispielsweise im Dezember bekannt, dass er zur Bekämpfung des drohenden Ärztemangels eine eigene
Medical School in Kalifornien gründen will – ein Entscheid, der notabene die Debatte anheizte, ob der Arztberuf durch diese Art der Ausbildungs-Privatisierung nicht vermehrt ökonomischen Zwängen unterworfen werde.
Aber Kaiser Permanente ist auch ein Health-Riese, der alleine 17'000 Ärzte beschäftigt.
Bemerkenswert ist die Initiative in Oberfranken vielmehr, weil Regiomed einfach ein regional verwurzelter, aus einigen Kreiskliniken entstandener Spitalverbund mit 4'500 Mitarbeitern, 65'000 stationären und 75'000 ambulanten Patienten ist.
«Ärztemangel in der Fläche»
Und um die regionale Anbindung geht es bei diesem deutsch-kroatischen Projekt letztlich stark: Man sei überzeugt, «durch dieses innovative Studienmodell langfristig die medizinische Versorgung in ihrem gesamten Einzugsgebiet sicherstellen zu können»,
schreibt Regiomed in der Mitteilung.
«Durch diese Kooperation legen wir richtungsweisend ein Projekt auf, wie dem zunehmenden Ärztemangel in der Fläche entgegen gewirkt werden kann», sagte Regiomed-Geschäftsführer Joachim Bovelet bei der Unterzeichnung des Vertrags an der Universität Split: Man sei stolz darauf, «zu einer dauerhaften vertraglichen Einigung zur Ausbildung von Ärzten mit der staatlichen Universität Split, einer der aufstrebendsten Universitäten Europas, gekommen zu sein.»
Kurz: Durch die Kooperation im EU-Rahmen decken die Spitäler einen Ausbildungsbedarf, der im Heimatland nicht mehr gefüllt wird. Während ihres gesamten Studiums sind die Studierenden in Split eingeschrieben. Ihre Ausbildung schliessen sie mit dem Titel «Medical Doctor» ab – dieser ist EU-weit anerkannt und ermächtigt auch in Deutschland zur Beantragung der ärztlichen Zulassung.