Placebos können auch dann wirksam sein, wenn Patienten vollständig darüber informiert sind, dass sie ein Placebo erhalten. Das erhärtet nun eine Studie in
«BMJ Evidence-Based Medicine», die auch auf
«Medscape» vorgestellt wurde.
Wissen die Patienten, dass ihnen ein Placebo verschrieben wird, nennt sich das Open-Label-Placebo. In der Studie testeten die Forscherinnen und Forscher Open-Label-Placebos gegen das prämenstruelle Syndrom (PMS) – die körperlichen und emotionalen Symptome in den Tagen oder Wochen vor der Periode.
- Antje Frey Nascimento, Jens Gaab, Bojana Degen, Mareike Rytz, Anja Holder, Dilan Sezer, Sarah Buergler, Andrea H. Meyer, Irving Kirsch, Joe Kossowsky, Cosima Locher: «Efficacy of open-label placebos for premenstrual syndrome: a randomised controlled trial», in: «BMJ Evidence-Based Medicine», mars 2025.
- doi: 10.1136/bmjebm-2024-112875
An der Untersuchung nahmen 150 Teilnehmerinnen teil, die einer von drei Gruppen zugeordnet wurden: Einer Kontrollgruppe ohne Behandlung, einer Placebo-Gruppe ohne Erklärung und einer Placebo-Gruppe, bei der die Teilnehmerinnen über die nachgewiesene Wirksamkeit von Placebos bei PMS aus früheren Forschungen informiert wurden.
15 Minuten Erklärung
Die Studie ergab eine signifikante Verbesserung der PMS-Symptome bei den Patientinnen, die eine Erklärung über die Placebo-Effekte erhielten. Die Erklärung dauerte etwa 15 Minuten, sagt Antje Frey Nascimento, Professorin für Psychologie an der Universität Basel und Leiterin der Studie.
Antje Frey Nascimento von der Universität Basel. | PD
Sie erklärte den Teilnehmerinnen, dass Placebos wirksam seien, dass Placebo-Effekte bei PMS verbreitet seien und dass es bei Placebos einen Konditionierungsprozess geben könne: Seit der Kindheit verbinde man die Einnahme einer Pille mit einer gewissen Linderung der Symptome, deshalb könne die Einnahme eines Placebos bei PMS die Symptome verbessern.
Die beiden Placebo-Gruppen erhielten die Pillen sechs Wochen lang zweimal täglich.
80 Prozent weniger schlimme Symptome
Die Einnahme eines Placebos mit einer klaren Erklärung ging einher mit einer um 79,3 Prozent tieferen Symptomintensität und einer Abnahme der Beeinträchtigung des täglichen Lebens durch diese Symptome um 82,5 Prozent.
Wer ein Placebo ohne Erklärung erhielt, vermeldete eine Abnahme der Symptomintensität um 50,4 Prozent und einen Rückgang der Lebensbeeinträchtigung um 50,3 Prozent.
In der Gruppe ohne zusätzliche Behandlung liess sich eine Reduzierung der Symptomintensität um 33 Prozent feststellen – beziehungsweise eine Abnahme der Lebensbeeinträchtigung um 45,7 Prozent.
Die beträchtliche Reduktion selbst in der Gruppe ohne Behandlung könnte laut Nascimento die Folge davon sein, dass die Patientinnen ein Symptomtagebuch führten. Oder es könnte der Hawthorne-Effekt mitspielen, ein psychologisches Phänomen, bei dem Individuen ihr Verhalten aufgrund des Bewusstseins, beobachtet zu werden, verändern.
Allerdings führte das Placebo mit Erklärung zu einer signifikant besseren Bewältigung der PMS-Symptome als keine Behandlung oder das Placebo ohne Erklärung.
Der Vorteil: Keine Patiententäuschung nötig
Studien zeigten auch schon, dass Open-Label-Placebos den Bedarf an Medikamenten bei Kindern mit ADHS verringern und sie auch beim Reizdarmsyndrom helfen können. Zumindest einen bescheidenen Nutzen konnte die Forschung zudem für verschiedene Arten von Schmerzen, chronische Erschöpfung, Heuschnupfen, Depressionen und Hitzewallungen in den Wechseljahren feststellen.
Die Studien stellen die traditionellen Annahmen über die Notwendigkeit von Täuschung in der Placeboforschung in Frage und eröffnen neue ethische Perspektiven für die klinische Praxis, da keine Täuschung der Patienten erforderlich ist. Die Möglichkeit, Placebos offiziell zu verschreiben, gibt es aber noch nicht.