Wenn es um den Ärztemangel geht, ist die Figur des Physician Associates ein kleiner Hoffnungsschimmer. Denn liesse sich nicht die Ärzteschaft entlasten, indem Fachspezialisten mit Zusatzqualifikation gewisse Aufgaben übernehmen? Dies die Idee. Und so prüft beispielsweise die ZHAW, ob sie nach dem CAS- und einem MAS-Angebot auch eine BSc-Ausbildung anbieten soll; dies sagte Andreas Gerber-Grote, der Leiter des Departements Gesundheit,
jüngst in den TA-Media-Zeitungen.
In Grossbritannien läuft dazu allerdings eine kritische Debatte. Im Herbst 2024
entschied die British Medical Association, dass die Physician Associates möglichst aus den Hausarzt-Praxen verdrängt werden sollen. Eine «überwältigende Mehrheit der Mitglieder» – so die Mitteilung – sprach sich dafür aus, dass keine neuen PA in den Praxen engagiert werden; auch sollen die heute tätigen Fachspezialisten nicht länger unbeaufsichtigt im Patientenkontakt eingesetzt werden.
Ungewohnte Arbeitsteilung
Fast zeitgleich erliess das Royal College of General Practitioners, der andere prägende Verband der Allgemeinmediziner, ein ähnliches Dekret: Mit einer knappen Zweidrittels-Mehrheit beschloss dessen Hausarztkomittee «to oppose a role for Physician Associates working in general practice».
Das Hauptargument war jeweils, dass die PA «nicht genügend ausgebildet für die Behandlung undifferenzierter Patienten» seien – und dass die relativ neue Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Physician Associates ein hohes Risiko schaffe.
Aber natürlich kam auch der Verdacht auf, dass es den Ärzten vielleicht auch um Macht, Einfluss oder Standesdünkel gehe. Denn abgesehen vom Fall einer jungen Frau, die ihr Leben womöglich aufgrund von Fehldiagnosen durch PAs verloren hatte, schien die Kritik damals noch dünn untermauert.
Schleichender Übergang
Jetzt aber liegt ein Report vor, der 600 Fälle auflistet, bei denen solche klinische Fachspezialisten die Sicherheit gefährdeten oder ernsthaften Schaden anrichteten. Das Dossier wurde
soeben im «British Medical Journal» veröffentlicht, und es listet eine breite Problempalette auf: falsche und riskante Rezepte; chirurgische Eingriffe ohne entsprechende Qualifikation; unnötige Bildgebungsaufträge; falsche Angabe als Doktor; falsche Krebsdiagnose. In einem Fall wurde beispielsweise ein Tumor in der Grösse eines Hühnereis übersehen.
Teils erklären sich die Probleme auch aus einer unklaren Definition und Überwachung der Funktion. Gerade wegen der Überlastung der Ärzte wanderten mehr und mehr Aufgaben – quasi schleichend – zu den PA’s,
ohne dass diese dafür genügend ausgebildet waren.
Als das Gesundheitsministerium in London dann plante, im staatlichen NHS-System noch deutlich mehr PA’s zu engagieren, fachten sie den Widerstand in der Ärzteschaft vollends an.
Gesucht: die richtige Arbeitsteilung
Inzwischen hat die Regierung einen eigenen Bericht in Auftrag gegeben: Dieser soll im Juni vorliegen und dürfte massgeblich entscheiden, ob der Beruf eine Zukunft hat auf der Insel. Beziehungsweise ob die bisherigen Probleme durch eine bessere Organisation oder Arbeitsteilung behoben werden können.
Bemerkenswert ist die britische Entwicklung, weil die Physician Associates beziehungsweise Physician Assistants jüngst noch als Zukunftsberuf galten. Und dabei gehörte Grossbritannien – nach den USA – zu den Ländern, wo die neue Funktion früh aufkam, früh strukturierte Bildungswege erhielt und sich früh etablieren konnte. Die ersten PA-Nachdiplom-Programme wurden dort 2008 gestartet, und heute ist es dort gang und gäbe, dass Fachspezialisten mit einer Zusatzausbildung ärztliche Aufgaben direkt am Patienten übernehmen: Knapp 4’000 PA’s (so die Abkürzung) arbeiten zwischen Südengland, Nordschottland und Ulster, davon knapp die Hälfte in NHS-Kliniken – und die andere Hälfte in Praxen.
In der Schweiz begannen die ersten Versuche mit PA’s (die hier ebenfalls oft so genannt werden) vor ziemlich genau zehn Jahren. Heute arbeiten Klinische Fachspezialisten in rund 50 Institutionen. Landesweit sind etwa 100 Personen in diesem Berufsfeld tätig, die Mehrheit davon in der Deutschschweiz. Allerdings finden sie sich hierzulande nicht im ambulanten Bereich – unter anderem, weil sich ihre Aufgaben dort schwer tariflich abbilden lassen.