Pflegeversicherung in Deutschland steckt tief in roten Zahlen

Nicht nur in der Schweiz sind die steigenden Pflegekosten ein brisantes Thema. In Deutschland muss die Pflegeversicherung gerettet werden.

, 6. November 2024 um 08:32
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Pflege ist aufwändig und teuer. In Deutschland und in der Schweiz warnen die Versicherungen vor roten Zahlen. | Adobe Stock
In Deutschland gibt es neben der Krankenversicherung seit 1995 eine obligatorische Pflegeversicherung. Nun steckt sie in Schwierigkeiten. Damit die Pflegekassen zahlungsfähig bleiben, will der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Beiträge anheben.

Neu 3,55 Prozent vom Lohn

Er plant für das kommende Jahr eine Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,15 Prozentpunkte auf 3,55 Prozent, wie das «Redaktions-Netzwerk Deutschland» meldet.
Lauterbach plant ausserdem, Steuergeld für die Pflegekassen umzuwidmen. Offenbar gibt es noch Geld, das die Pflegeeinrichtungen bisher nicht bezogen haben: Es handelt sich dabei um Beiträge an die Energiekosten. Dieses Geld könnte ab 2025 für die Finanzierung der eigentlichen Pflege verwendet werden, so die Absicht.

Kinderlose zahlen 4 Prozent

Derzeit zahlen Deutsche für ihre obligatorische Pflegeversicherung einen Beitragssatz von 3,4 Prozent ihres Bruttolohnes. Kinderlose zahlen 4 Prozent. Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren haben Rabatt.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlen den Beitrag je zur Hälfte. Eine Anhebung um 0,15 Punkte bedeutet für Angestellte mit einem Monatseinkommen von 3500 Euro eine Mehrbelastung von 31,50 Euro im Jahr. Dazu kommt die Erhöhung der Beitragssätze in der obligatorischen Krankenversicherung um durchschnittlich 0,8 Punkte. Zusammen ergibt das eine Mehrbelastung von knapp 200 Euro jährlich.

Auch Santésuisse warnt

In der Schweiz wird die Pflege von den Krankenversicherungen bezahlt. Der Krankenkassenverband Santésuisse fordert in seinem diesjährigen Pflegereport «rasch neue Rezepte», weil auch hierzulande die Pflegekosten aus dem Ruder laufen.
Immer mehr Geld aus der Grundversicherung müsse für die Vergütung von Pflegeleistungen ausgegeben werden. 2022 seien es insgesamt 6,5 Milliarden Franken gewesen.

Spitex um 124 Prozent teurer

«Von 2011 bis 2022 stiegen die Kosten in Pflegeheimen um 42 Prozent auf rund 4,5 Milliarden Franken, bei der Pflege zu Hause sogar um 124 Prozent auf rund zwei Milliarden Franken», hat Santésuisse ausgerechnet.
Santésuisse befürchtet weitere Kostenschübe und will deshalb Sparmassnahmen.
  • Die Grundversicherung soll nicht immer mehr zahlen müssen. Es brauche sachgerechte Tarife.
  • Die Pflegeheime sollen überregional und überkantonal geplant werden. Bevor neue Betten geschaffen werden, müssen die Kantone prüfen, ob tatsächlich Bedarf besteht.
  • In Heimen muss der Pflegebedarf einheitlich erfasst werden. Personen dürfen nicht mehr aufgrund ihres Wohnortes unterschiedlich eingestuft werden. Die drei Pflegebedarfs-Erfassungsinstrumente müssen harmonisiert werden.
  • Angehörigenpflege soll geregelt werden. Personen, die bereits im Ruhestand sind dürfen die Pflege ihrer Angehörigen nicht mehr über die Grundversicherung abrechnen.
  • Die ambulante Pflege muss detaillierter berechnet werden. Ähnlich wie bei Pflegeheimen muss der effektive Pflege- und Betreuungsaufwand gezeigt werden.
  • pflege
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