«Volumen schafft Routine, aber nur bei entsprechender Qualitätskultur»
Die Revisionsraten nach Knie- oder Hüftgelenksersatz schwanken stark. Stefan Eggli erklärt im Interview, wie Spezialisierung, stabile OP-Teams und hohe Fallzahlen an der Orthopädie Sonnenhof die Qualität steigern.
, 17. Dezember 2025 um 10:16
Prof. Dr. Stefan Eggli auf dem Saufa Jaune von santémedia.
Die Zahl der Revisionsoperationen nach Knie- oder Hüftgelenkersatz variiert stark zwischen Kliniken – von fast null bis deutlich höher. Am Spital Sonnenhof zeigt sich, wie Spezialisierung, stabile OP-Teams und hohe Fallzahlen die Qualität massiv steigern und die Revisionsrate minimieren.
Die Rate an Revisionsoperationen nach Gelenkersatz variiert stark zwischen Spitälern. In manchen Häusern ist sie sehr gering, in anderen deutlich höher. Warum?
Die Unterschiede entstehen durch mehrere Faktoren: Patientenselektion, chirurgische Erfahrung, Teamkonstanz, Implantatsqualität und perioperatives Management. Basierend auf den Registerdaten zeigt sich, dass Kliniken mit spezialisiertem Fokus, standardisierten Abläufen und hohem Fallvolumen bessere Ergebnisse erreichen. Auch die Dokumentationsqualität und das Nachsorgekonzept (Qualitätskontrolle) spielen eine entscheidende Rolle. Zentren mit interdisziplinärer Zusammenarbeit und konsequentem Komplikationsmanagement schneiden systematisch besser ab.
Das Spital Sonnenhof hat eine der niedrigsten Revisionsraten in der Schweiz. Worin sehen Sie den Hauptgrund dafür?
Der Hauptgrund liegt in der Spezialisierung und dem hohen Fallvolumen bei gleichzeitig konstanten Operationsteams. Die langjährige Erfahrung der Operateure, standardisierte Prozesse und die Verwendung bewährter Implantatsysteme mit nachgewiesener Langzeitbewährung schaffen Konsistenz. Hinzu kommt eine sorgfältige Patientenselektion und präoperative Planung, die Risikofaktoren frühzeitig identifiziert und entsprechend managt.
Prof. Dr. med Stefan Eggli ist Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie Spezialisiert auf Sportchirurgie und komplexe Kniechirurgie – er ist Mitgründer der Orthopädie Sonnenhof. Zudem ist er Leiter Knie- und Sportchirurgie, CEO ambulantes OP Zentrum Christoffel, CEO IMS Holding
«Nachgefragt» - 5 Fragen an Prof. Dr. med. Stefan Eggli zur Qualität in der Orthopädie
Nachgefragt - Qualität in der Orthopädie Prof. Dr. med. Stefan Eggli
Welche organisatorischen oder teambezogenen Faktoren tragen am Sonnenhof besonders zur geringen Revisionsrate bei?
Entscheidend sind stabile Operationsteams mit eingespielter Zusammenarbeit zwischen Chirurgen, Anästhesie und OP-Pflege. Standardisierte Checklisten, interdisziplinäre Fallbesprechungen und ein konsequentes Qualitätsmanagement mit systematischer Erfassung aller Komplikationen ermöglichen kontinuierliche Verbesserung. Die Fokussierung auf Endoprothetik ohne Ablenkung durch andere Fachbereiche und kurze Kommunikationswege in einem spezialisierten Zentrum sind weitere Erfolgsfaktoren.
«Basierend auf den Registerdaten zeigt sich, dass Kliniken mit spezialisiertem Fokus, standardisierten Abläufen und hohem Fallvolumen bessere Ergebnisse erreichen.»
Glauben Sie, dass eine hohe Fallzahl der alles entscheidende Punkt ist?
Hohe Fallzahlen korrelieren statistisch mit besseren Outcomes und tieferen Revisionsraten. Dies ist insbesondere bei den Teilprothesen eindrücklich. Entscheidend ist die Kombination aus Volumen, Spezialisierung und Systemqualität. Ein erfahrener Chirurg mit 200 Knieprothesen jährlich im eingespielten Team erreicht bessere Ergebnisse als ein Orthopädischer Chirurg, der Eingriffe am ganzen Bewegungsapparat durchführt mit 30 Knieprothesen. Volumen schafft Routine, aber nur bei entsprechender Qualitätskultur und kontinuierlicher Weiterbildung.
Gesundheitsökonomen fordern Mindestfallzahlen für Kliniken. Was halten Sie davon?
Mindestfallzahlen sind sinnvoll, um Qualität zu sichern, sollten aber differenziert betrachtet werden. Sie müssen pro Operateur, nicht nur pro Klinik gelten. Die Schweiz ist geografisch klein – Zentralisierung auf wenige Zentren ist machbar und erhöht die Qualität. Allerdings müssen auch Ausbildungsstätten berücksichtigt werden, wo niedrigere Fallzahlen unter Supervision akzeptabel sind. Qualitätsindikatoren sollten neben Volumen auch Outcomes umfassen.
Welche Rolle spielen digitale Planungskonzepte (z. B. 3D-Modelle vor der Operation) und Roboter-assistierte Chirurgie bei der Reduktion von Komplikationen?
3D-Planung verbessert die präoperative Visualisierung und Implantatpositionierung, besonders bei komplexen Anatomien. Roboter-assistierte Chirurgie bietet hohe Präzision bei der Knochenresektion und Implantatplatzierung. Der Nutzen ist jedoch stark begrenzt und wird vom Marketing der herstellenden Firmen komplett übertrieben.
Können Sie ein Beispiel dazu machen?
Der Einsatz von Robotic in der Knieendoprothetik hat zu keiner Verbesserung der Resultate oder Revisionen geführt. Auf der anderen Seite dauern aber die Operationen länger und sind teurer. Entscheidender bleiben chirurgische Erfahrung, Weichteilmanagement und perioperatives Protokoll.
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wird die Revisionsrate durch Technologie irgendwann gegen Null sinken, oder bleibt der Faktor Mensch die grösste Variable?
Die Revisionsrate wird weiter sinken, aber nie gegen Null gehen. Besseres know-how kann technische Fehler reduzieren, kann aber biologische Variabilität, Patientencompliance und Langzeitverschleiss nicht eliminieren. Der Faktor Mensch – Patientenselektion, individuelle Anatomie, Immunreaktionen – bleibt entscheidend. Realistische Ziele liegen bei 1-2% Revisionsrate nach 10 Jahren. Perfektion ist in der Biologie unerreichbar, da lebende Systeme inhärent variabel und unvorhersehbar sind.
«Der Einsatz von Robotic in der Knieendoprothetik hat zu keiner Verbesserung der Resultate oder Revisionen geführt.»
Welche Strategien oder Mentoring-Programme haben Sie implementiert, um Assistenzärzte an komplexe Operationen heranzuführen?
Strukturierte Curricula mit schrittweiser Heranführung sind essentiell: von Assistenz über einzelne Operationsschritte bis zur selbständigen Durchführung unter Supervision. Regelmässige Fallbesprechungen, Videoanalysen und Simulationstraining ergänzen die praktische Ausbildung. Wichtig ist die Balance zwischen Autonomie und Sicherheit – Assistenten müssen Verantwortung übernehmen können, aber stets mit Backup. Die learning-curve muss begleitet werden durch erfahrene Chirurgen.
Wie attraktiv muss ein Spital heute als Ausbildungsstätte sein, um die besten Talente für die Chirurgie zu gewinnen?
Spitäler müssen hohes Fallvolumen, moderne Infrastruktur und strukturierte Weiterbildungsprogramme bieten. Entscheidend sind auch Work-Life-Balance, faire Arbeitszeitmodelle und Karriereperspektiven. Die besten Talente suchen Mentor-Vorbilder, wissenschaftliche Möglichkeiten und internationale Vernetzung. Wertschätzung, Teamkultur und die Möglichkeit, früh Verantwortung zu übernehmen, sind genauso wichtig wie technische Ausstattung.
Reputation und Ergebnisqualität der Institution sind Hauptattraktoren. Wir haben durch die Vernetzung mit den Kliniken in Biel und Burgdorf die optimale Voraussetzung geschaffen um dies zu realisieren, sind jedoch noch nicht da wo wir sein wollen – es gibt noch viel Verbesserungspotential.
Prof. Dr. med. Stefan Eggli, Gründer der Orthopädie Sonnenhof, durfte bei santémedia AG auf dem Sofa Jaune Platz nehmen. Im Gespräch spricht er über Bern als Standort der innovativen Orthopädie, seine persönliche Vision und darüber, was Qualität, Teamarbeit sowie Lehre und Forschung für die Orthopädie Sonnenhof bedeuten.